Crossing Edge - Of Ghosts And Enemies
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Kurzfassung
Dieses Album packt zu und lässt nicht mehr los.
Bei der Gestaltung ihres Promomaterials haben sich Crossing Edge viel Mühe gegeben: Zusammen mit ihrer CD verschicken sie einen feschen Glanzpapier-Zettel, bildreich mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund, und kündigen allerhand Vielversprechendes an: “Melodiöse Vocals, die sich mit harten Shouts duellieren”, “druckvolle Gitarren-Riffs”, “ausgefeilte Leadparts”, eine “tighte Bassline” und “aggressive Drums”. So großartig diese Mischung klingen mag – ich gehe mit Vorurteilen an das Debütalbum mit dem Titel “Of Ghosts And Enemies” der österreichischen Band heran, ohne vorher je von ihr gehört zu haben. Zu sehr erinnert mich die Aufmachung an die Promozettel von 08/15-Emocore-Bands, zu oft habe ich es erlebt, dass aufwendiges Promomaterial von mangelnder Qualität ablenken sollte.
Nach Einlegen der CD erklingt zunächst eine dezente, leise Gitarrenmelodie, der sich bald ein druckvoller Rhythmus anschließt.
‘Der Anfang klingt ja eigentlich ganz gut’, denke ich mir noch, bevor der Opener “Call Me Under” mich mit ein paar fetten Riffs und einem umhauend mitreißenden Gesang für alle meine Vorurteile bestraft. Noch will ich sie nicht loslassen, da prügeln Crossing Edge mit – tatsächlich wie versprochen – harten Shouts, aggressivem Drumming und einem Refrain, der so melodiös ist, dass er sich gleich beim ersten Hören einprägt, auf mich ein.
Im Verlauf der nächsten Songs, die sich allesamt auf dem Niveau des Openers befinden, wird mir allmählich klar, was es ist, das mich bei Crossing Edge so begeistert hat: Die melodische, fast poppige Interpretation von Metal dieser österreichischen Jungs erinnert mich unglaublich stark an die von mir hochgeschätzte Band A Life Divided. Dieselbe Energie, das gleiche (gewaltige) Maß an Emotion, dieselbe Frische spricht aus den fetzigen Songs von Crossing Edge, und auch gesanglich hat Crossing Edge-Frontmann Bernhard Klausner eine Menge von Jürgen Plangger, der bei A Life Divided das Mikro innehält: Seine Stimme kann sanft, doch unheimlich intensiv sein und sich von einer Sekunde auf die andere in aggressives Shouting verwandeln und auf eine Weise, die ich vor diesem Album für einzigartig gehalten habe, kann sie genau das Gefühl direkt ins Herz des Hörers transportieren, das der Text des jeweiligen Songs ausdrückt.
Die Stile der beiden Bands sind erstaunlich ähnlich, mit dem entscheidenden Unterschied, dass Crossing Edge auf elektronische Einflüsse verzichten und stattdessen eine ganze Nummer härter und metallastiger unterwegs sind als ihre bayrischen Kollegen von A Life Divided. Und auch trotz all der übrigen positiven und überzeugenden musikalischen Charakteristika, die mich bei Crossing Edge so an A Life Divided erinnern, hat es keinesfalls den Anschein, als lieferten Crossing Edge nichts Neues.
Ganz im Gegenteil, jeder einzelne der zwölf Songs transportiert aufgrund der gerade dort vorherrschenden Kombinationen aus unterschiedlichen und doch so stimmigen Riffs, Melodien und Soli eine selten anzutreffende Frische und Kreativität. Und gerade deswegen ist es wirklich schwer, dieses Album anständig zu beschreiben. Es ist nicht möglich, die Songs in Kategorien einzuordnen, etwa “die Harten”, “die Langsamen”, “die Verschachtelten”, “die Eingängigen”, “die Rockigen”, “die Poppigen” und so weiter oder sie irgendwie anders zusammenzufassen. Eigentlich hätte jeder Song auf “Of Ghosts And Enemies” sein eigenes Review verdient.
“Behind Closed Doors” etwa überfällt einen mit einem Rhythmus, der so schnell ist, dass man ihm kaum folgen kann, und mit kurzen, eingeworfenen Gitarren-Riffs, bevor Bernhard Klausner den Hörer bereits in der ersten halben Minute sowohl in den Genuss seiner gekonnten Shouts, als auch seines expressiven Gesangs kommen lässt, der die fast panikartige Furcht des Songs perfekt zum Ausdruck bringt, indem er die Worte so kurz wie möglich singt und dabei mit der Stimme immer wieder nach oben geht.
Schrill, verschiedenartig, chaotisch spielen die Gitarren perfekt mit und fügen sich in die Stimmung des Liedes ein.
Das Highlight ist in diesem Zusammenhang ein herrlich schrilles, fetziges, filigranes und ziemlich ausgiebiges Solo, nach dem der Song kurzfristig an Tempo verliert, um die Pointe auszudrücken: Nach stundenlangem Suchen hat der Protagonist endlich den Schlüssel gefunden, um aus den Räumen zu gelangen, in denen er gefangen war und die ihm so viel Angst machen, doch bestürzt muss er feststellen: “I unlocked my cage and I can’t believe my eyes – another closed door!”
So energisch, wie der ganze Song verläuft, so klingt er auch mit wütendem Geschrei und einem Gitarren-Gewitter aus.
Ebenso großartig ist “In Case Of Emergency”, das leicht Nu-Metal-haft mit straffen Riffs beginnt. Neben diesen charakteristischen Riffs, die immer wieder eingestreut werden, einem kleinen Solo und einem wahnsinnig dröhnenden Rhythmus ist es Frontmann Bernhard, der in diesem Song einmal aufs Neue von sich überzeugen kann, indem er sich stimmlich von Shouts über ungewohnt hohen Cleangesang bis hin zu verzerrtem, klagendem Sprechgesang noch vielseitiger als sonst präsentiert.
Am Ende überrascht der Song, indem er sein schnelles Tempo drastisch drosselt und fast schon seelenruhig die Gesangsmelodie auf Gitarre erklingt, als sei der ganze Notfall überstanden.
Die darauf folgende Explosion, die die Musiker mit vereinten Kräften aus allen ihren Instrumenten rausholen, beweist, dass dem nicht so war und hinterlässt einen Hörer, der sich nun gemeinsam mit der Band über den Sinn des Lebens Gedanken zu machen beginnt, während er sich “Destiny” anhören darf. Hierbei handelt es sich um einen etwas, und die Betonung liegt auf etwas, langsameren Song. Obwohl der Gesang eher ruhig und nachdenklich ist und die Sehnsucht nach einem Grund zum Leben zum Ausdruck bringt, hat das Lied jedoch wieder stellenweisen einen rasanten Rhythmus, der jede unnötige Milde im Keim erstickt.
Und so hört man sich weiter durch “Of Ghosts And Enemies”: Durch das wunderbare “Into The Sun”, das romantisch beginnt und wütend und aggressiv endet. Durch “Testify”, einem Liebeskummer-Song, der völlig ohne Rumgeheule funktioniert. Durch “The Prophet’s Choice”, einem Duett mit Daniel Fellner von Devastating Enemy, der wunderbar in den Song passt und ihm noch eine Portion Härte verpasst.
Und viel zu schnell ist man auch schon am Ende des Albums angekommen, an das die Band mit “New Messiah” noch mal ein großes Highlight platziert hat. Langsam, bedächtig und fast etwas bedrohlich beginnt das Stück, das man zunächst für eine Ballade halten könnte, doch gewohnt aggressive Drums und heftige Riffs belehren den Hörer bald eines Besseren.
Dieses Stück ist unter anderem deswegen so genial, weil ihm die gewohnte Strophe-Refrain-Struktur abgeht. Stattdessen folgt hier die Musik ihrer ganz eigenen Ordnung, Bernhard schreit sich die Seele aus dem Leib und die Riffs und die dröhnende Rhythmusfraktion drohen den Hörer regelrecht niederzuwalzen, insbesondere am Ende, als ihm ein langes, präzises und zunächst aggressiv-schnelles, dann langsam-dramatisches Gitarrensolo um die Ohren gefegt wird.
“Of Ghosts And Enemies” hat keinen einzigen Aussetzer, man kann und will das Album am Stück durchhören, sich auf jeden neuen Track freuen und ganz am Ende immer wieder auf ‘Repeat’ drücken.
Was auch irgendwie erfrischend und ungewöhnlich ist, insbesondere für eine Band wie Crossing Edge, die sich offensichtlich nicht für die härteren Metal-Pfade entschieden, sondern einen sehr melodiösen und rockigen Weg eingeschlagen hat, ist, dass es auf “Of Ghosts And Enemies” keine einzige Ballade gibt. Hier wird am Stück durchgerockt und trotzdem mit großen Emotionen hantiert. Nach wie vor kann ich nur schwer glauben, dass Crossing Edge tatsächlich noch kein Label haben und dieses geniale Stück Musik im Eigenvertrieb veröffentlicht haben.
Letztendlich (denn irgendwann muss man ja auch zum Punkt kommen) sei jedem, der für melodiösere Varianten harter Musik zu begeistern ist, “Of Ghosts And Enemies” wärmstens ans Herz gelegt. Ganz besonders sollten diejenigen Musikhörer Crossing Edge mal näher kennenlernen, die für A Life Divided etwas übrig haben. Und ganz generell sei jedem empfohlen, sich nicht zu sehr von seinen Vorurteilen einschränken zu lassen. Man kann so viel Großartiges verpassen.
Verlag/ Label: Eigenvertrieb
Veröffentlichungsjahr: 10.11.2012
Trackliste:
01 Call Me Under
02 Of Ghosts And Enemies
03 Behind Closed Doors
04 The Rising
05 In Case Of Emergency
06 Destiny
07 Into The Sun
08 Testify
09 The Prophet's Choice
10 Tonight
11 Never Ending Misery
12 New Messiah
Webseite: http://www.crossing-edge.com/
Webseite 2: https://www.facebook.com/crossingedge/
Copyright Artikelbild: Crossing Edge