Jetzt, wo ich mir eh schon immer älter vorkomme, dachte ich, fährste auch mal musikalisch einen Gang runter. Holst dir mal statt dem nächsten Metalalbum eine Akustik-CD nach Hause. So entschied mich dafür, die Band Acoustic Revolution mit ihrem neunen Album “Finally Folk” mal auszutesten (denn dass mir Folk plötzlich ganz gut taugt, hab ich kürzlich schon bei Tir Nan Og erstaunt festgestellt).
Naja, Acoustic Revolution also sind drei junge, oder auch nicht mehr ganz so junge, das ist Ansichtssache, Männer, die ausschließlich mit Saiteninstrumenten und ihren Stimmen bewaffnet ans Werk schreiten. Neben der obligatorischen Gitarre haben wir hier ein Banjo, eine Mandoline und einen Kontrabass – mehr nicht. Angeblich nicht einmal Trommeln, auch wenn diese an mancher Stelle wirklich erstaunlich ähnlich imitiert werden.
Die ersten Töne, die man auf diesem Album zu hören bekommt, sind extrem tief und düster und wecken so gesehen einen komplett falschen Eindruck. Ich dachte schon, dass diese Band in Richtung Neofolk geht, aber schnell wird der erste Song “Stop The Bleeding” freundlicher mit einem flotten Gitarrenlauf und einer lebhaften Gesangmelodie, die im Refrain so richtig aufblüht. Schon in diesem ersten Song schließe ich die Stimme des Leadsängers Tom Logan ins Herz: Sie ist samtweich, expressiv, er erreicht unerwartete Höhen, kann aber auch super knurren und klingt einfach authentisch, voller Freude am Singen und auch irgendwie sexy.
Der zweite Song “Let’s Drink On The Times Long Past” ist ganz großes Kino, eine “Mitsing-Hymne an die Nostalgie”schreibt das Promo-Sheet darüber und ich muss diesen Begriff einfach übernehmen, weil er den Nagel auf den Kopf trifft. Zu zuckersüßen Mandolinen-Melodien besingen Acoustic Revolution die vergangen Zeit „when we were young and full of dreams“, den Text kann man spätestens nach 3 Hördurchgängen auswendig und das Feeling ist einfach unsagbar ansteckend. Man schwelgt, träumt, erinnert sich und hat man einen sitzen, vergießt man vielleicht vor lauter sentimentaler Nostalgie lachend sogar das eine oder andere Tränchen.
“The Irish Sky” ist ein vielfältiges Instrumentalstück. Die Saiten werden wild durcheinander gezupft und gestrichen und dennoch klingt alles harmonisch und einfach wunderbar. Ein bisschen Melancholie spricht aus der sanften und verhältnismäßig hohen Kontrabass-Melodie – ich zumindest wusste gar nicht, dass ein Kontrabass so hohe Töne erzeugen kann. Die übrigen Instrumente sorgen dann für das nötige Maß an Leichtigkeit und schon haben wir die fabelhafte bittersüße Stimmung, die dieses Stück ausmacht.
“A Song Of Ice And Fire” ist dann ein episches, schweres und langsames Lied, das doch irgendwie ein bisschen in die Neofolk-Richtung tendiert. Die Strophen wirken ein wenig hart, abgehackt und aufbrausend, der Refrain zart und zerbrechlich. Angeblich ist dieses Lied an “Games Of Thrones” angelehnt, soviel zur Hintergrundinfo. Aber ich kann dazu nichts sagen, weil ich die Serie noch nie gesehen habe.
“Life 2.0″ klingt nach prächtig gelauntem Country und erinnert mich ein bisschen an The Boss Hoss. Mit einem Augenzwinkern erinnern uns Acoustic Revolution daran, dass es auch noch ein Leben außerhalb der digitalen Welt gibt.
“Not In The Mood” hat ebenfalls einen Country/Westen Charakter und hat etwas Freches, und dafür, dass es hier darum geht, keinen Bock drauf zu haben, einen Song zu schreiben, ist ein erstaunlich cooler Songs daraus geworden.
“Here Comes The Rain Again” ist ein Cover des Eurythmics-Klassikers. Acoustic Revolution spielen hier wunderbar mit all ihren Saiteninstrumente und lassen ganz viele melancholische Motive erklingen. Die sanfte Atmosphäre des Originals haben sie hier super eingefangen, und dennoch etwas ganz Eigenes kreiert.
Der nächste Song “Raise My Hand” klingt dann zunächst einmal ähnlich melancholisch und man meint, er gehört zu den langsameren Stücken, doch ab etwa der zweiten Strophe wird er richtig lebhaft. Trotzdem fehlt dem Stück etwas, es zündet bei mir nicht so wie all die anderen Songs, auch wenn es natürlich trotzdem ein schönes Stück ist.
“Sing With Us” ist dann aber wieder ein echter Ohrwurm, der von umherziehenden Musikern erzählt. Der Aufforderung des Titels kommt man sofort und gerne nach und stimmt in den mehrstimmigen Gesang mit ein, denn die Melodie ist einfach unwiderstehlich.
“Vickys Song” ist ein romantischer, leicht elegischer Lagerfeuer-Song, der auch noch eine Widmung ist, und zwar an die Frau von Frontmann Tom Logan. Sehr geschickt, denn sollte sie mal wieder wegen etwas sauer sein, muss er ihr nur dieses Lied vorspielen und sie wird dahinschmelzen und alles vergeben und vergessen. So kann man Konflikte in der Beziehung auch lösen!
Am Ende des Albums steht dann nochmal mit “Warriors Of The World” ein großes Highlight – ja, Acoustic Revolution haben tatsächlich die große, heroische Metalhymne von Manowar gecovert und ja, auch ohne Schlagzeug und E-Gitarre kriegt man die kämpferische Stimmung hin – mit furchtlosem Gesang und einem gewaltigen, doch ruhigen Kontrabass zum Beispiel, und indem man auch mit allen anderen Instrumenten einfach alles richtig macht.
Ja, geil. Ich hab den Soundtrack für diesen Sommer gefunden – endlich mal wieder ein Album, das ich rauf und runter hören und auswendig lernen kann. Und hey – plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so alt. Kommt das etwa von der spritzigen Frische dieser tollen Ohrwurm-Songs?
ACOUSTIC REVOLUTION – Let’s Drink On The Times Long Past
Verlag/ Label: Neo-Wannsee Records
Veröffentlichungsjahr: 2015
Trackliste:
01 Stop The Bleeding
02 Let's Drink On The Times Long Past
03 The Irish Sky
04 A Song Of Ice And Fire
05 Life 2.0
06 Not In The Mood
07 Here Comes The Rain Again
08 Raise My Hand
09 Sing With Us
10 Vickys Song
11 Warriors Of The World
Webseite: http://www.acoustic-revolution.com/
Webseite 2: https://www.facebook.com/acousticrevolution/
Copyright Artikelbild: Neo-Wannsee Records
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Kurzfassung
Saiten und ne schöne Stimme – was braucht man mehr?