STEPHEN COLLINS – Der gigantische Bart, der böse war

Gerne und auch oft predige ich Buchlesern die zahlreichen Vorteile, die Bilder bei der Übermittlung von Medien und Informationen haben. Aber leider müssen gerade Comics und Graphic Novels immer noch mit den Vorurteilen kämpfen, die Fantasie des Lesers zu bevormunden und ihnen die Inhalte “vorzukauen“ anstatt ihren Verstand anzuregen. Ich sehe beide Arten der Informationsvermittlung gleichberechtigt nebeneinanderstehen, schaffen es doch beide Arten der Darstellung, andere Wirkungen auf die Leser zu erzielen. Ein perfektes Beispiel von einer Geschichte, die in Schriftform so nicht funktionieren könnte, sehen wir in der Graphic Novel “Der Gigantische Bart Der Böse War“ vom Autor und Zeichner Stephen Collins. In dieser umfangreichen und ungewöhnlichen Geschichte werden wir nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell auf beste Weise unterhalten:

Inhalt

Dave ist der Protagonist von “Der Gigantische Bart Der Böse War“. Dave ist ein Durchschnittstyp, mit durchschnittlichem Einkommen und einem geregelten Alltag. Dave lebt im HIER und geht einem Job nach, in dem er verschiedenste Statistiken von HIER auswertet und sie jede Woche seinen Chefs präsentiert. In HIER geht alles seinen geregelten Lauf, jeder Bewohner geht seiner Arbeit nach und niemand würde auch nur einen Gedanken daran verschwenden, was er in seiner Freizeit tun sollte, denn jeder von HIER tut ohnehin jeden Tag dasselbe. HIER ist eine Insel und einfach jede Facette von HIER folgt der Ordnung und die Bewohner von HIER tun alles, um diese auch zu wahren. Umso mehr Angst macht ihnen die Präsenz von DORT, welches sich jenseits des Meeres befinden soll. In DORT herrscht das Chaos und die Bewohner von HIER tun einfach alles, um mit DORT nicht mal ansatzweise konfrontiert zu werden. So werden beispielsweise bei den Häusern von HIER keine Fenster in Richtung des Meeres gebaut, um niemals in Richtung DORT, das sich irgendwo hinter dem Meer verbergen soll, blicken zu müssen.

Auch Daves Verhalten ist von einer ständigen Angst vor der Präsenz des DORT bestimmt und so sucht er stets nach der beruhigenden Ordnung. Doch die unbegründete Angst vor dem DORT wächst immer weiter in Dave und auch die Umgebung scheint immer mehr DORT auszustrahlen. Merkwürdig ist auch ein Barthaar in Daves Gesicht, das er trägt, solange er sich zurückerinnern kann und das auch sofort wiederkommt, wenn er es entfernen will. Eines Tages als Dave in der Arbeit bei der Analyse seiner geliebten, geordneten Statistiken das heimlose Chaos in den Messwerten vorfindet, bricht in Dave das pure Entsetzen aus und er flüchtet in sein Zuhause. Und wäre das nicht genug, fängt auch sein Bart urplötzlich rasant und vollkommen chaotisch an zu wachsen…

Satire und Parabel

“Der Gigantische Bart Der Böse War“ ist eine gesellschaftskritische Parabel, die genretypisch Fragen über Ethik und Moral aufwirft. Der krasse Gegensatz zwischen HIER und DORT, Ordnung und Chaos spiegelt sich in jeder Faser des Werkes nieder und wird vor allem durch die grandiose Optik dargestellt. Und genau hier (nicht HIER ^^) liegt auch die Besonderheit von “Der Gigantische Bart Der Böse War“, welche eine Parabel in Form einer Graphic Novel darstellt. Im Laufe des Werkes erleben wir auch in der Gesellschaft von HIER einige nachhaltige Veränderungen, bei der gewohnte Verhaltensmuster gesprengt werden.

Zeichnungen

“Der Gigantische Bart Der Böse War“ lebt von den Zeichnungen, die beinahe jede Botschaft des Werkes präsentieren und anschaulich machen. Der Gegensatz von HIER und DORT wird von Stephen Collins optisch sehr eindrucksvoll dargestellt. So folgen alle Prinzipien von HIER der Ordnung, die Stephen Collins vor allem geometrisch anschaulich darstellt. So folgen seine Menschen, Tiere und natürlich die gesamte Architektur geometrischen Formen und geraden Linien. Das Chaos des DORT manifestiert sich jedoch in rasantem Gekritzelt, Geschnörkel und Kurven. Bei näherer Betrachtung erinnert einen das manifestierte DORT tatsächlich an kafkaeske bzw. cthuloide Formen, die sich als Krallen oder Tentakel zeigen. Die einzelnen mit Bleistift gezeichneten Bilder mögen zwar alleine relativ unspektakulär erscheinen, durch ihre Anordnung und ihre Konzeption erreichen sie aber eine erstaunliche Wirkung beim Leser. Das komplett in Schwaz-Weiß gehaltene umfangreiche Gesamtwerk “Der Gigantische Bart Der Böse War“ ist eine wahrhaftige Leseerfahrung, die ich ganz besonders auch Menschen nahelegen möchte, die mit Graphic Novels und Comics eigentlich nichts anfangen können. Denn ich bin mir sehr sicher, dass “Der Gigantische Bart Der Böse War“ so manchen von dieser Darstellungsart überzeugen wird, denn in Schriftform wäre das Werk schlichtweg nicht zu realisieren gewesen.

Das Buch

“Der Gigantische Bart Der Böse War“ erscheint im Großformat (21.0 x 29.7 cm) mit Hardcover und Schutzumschlag. Der mit 240 Seiten umfangreiche Graphic Novel weist eine gute Druck – und Papierqualität auf.

Impressionen zum Werk findet ihr auf der Homepage von Stephen Collins.

Fazit

“Der Gigantische Bart Der Böse War“ ist eine einmalige, intelligente und surreale Leseerfahrung, die Leser von der Einmaligkeit der Verbindung von Bild und Text überzeugen wird. Die finstere, bedrohliche Gesamtstimmung und die Ausgestaltung des Werkes erinnern stark an Kafka und H.P. Lovecraft, was das Werk umso besser macht.

Verlag/ Label: Atrium Verlag
Autor: Stephen Collins
Veröffentlichung: 00.02.2014
Seitenzahl: 240
ISBN: 978-3-85535-073-5
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: Atrium Verlag
Webseite 2: Amazon
Webseite 3: http://www.stephencollinsillustration.com/
Copyright Artikelbild: Stephen Collins, Atrium Verlag

  • 8/10
    Zeichnungen - 8/10
  • 10/10
    Intensität und Atmosphäre - 10/10
  • 10/10
    Druckqualität und Haptik - 10/10
9.3/10

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