Vor den weltbekannten Künstlern der Renaissance wie z.B. Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti und Raffael, gab es kaum einen erwähnenswerten Maler. Das liegt einerseits daran, dass viele Werke wegen den Kriegen und dem Leid der sog. Dark Ages, also des frühen Mittelalters, verloren gegangen sind oder nicht mehr ihren Erschaffern zugeordnet werden können, andererseits daran, dass durch die Erfindung der Perspektive, die Kunst massiv an Qualität und Zuspruch gewonnen hat.
Eine glorreiche Ausnahme ist der Künstler Hieronymus Bosch, dessen Werke im späten Mittelalter bzw. der frühen Renaissance entstanden sind. Neben traditionellen Kirchenmotiven stechen besonders seine unglaublich fantasievollen Horrordarstellungen und abstrakten Motive hervor, von denen man munkelt, dass diese unter dem Einfluss des Nachtschattengewächses Stechapfel hervorgerufen wurden. Der Taschen Verlag würdigt den herausragenden Künstler Hieronymus Bosch mit einem wahren Mammutwerk, das wir uns im Folgenden zu Gemüte führen wollen.
Aufmachung
Heute beginnen wir ausnahmsweise mal mit der Betrachtung des Werkes selbst. Als ich das Paket mit dem Rezensionsexemplar entgegen nahm, verstand ich erst gar nicht, um was es sich bei dem Inhalt handeln könnte. Ich wusste zwar, dass das Buch “Hieronymus Bosch – Das vollständige Werk” von Stefan Fischer imposant werden würde, doch mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Das Buch ist ein wahres Monstrum der Druck- und Bindetechnik geworden und wird sogar in einem edel gestalteten Pappkoffer verstaut. Die 300 Seiten werden natürlich von einem wunderschön verzierten Hardcover geschützt. Das Buch mit den gewaltigen Maßen von 29 x 39,5 cm wiegt etwa 5 Kilogramm (!!!) und weist als Besonderheiten noch 2 großflächige Ausklapper und ein Leseband auf.
Ein paar Worte zum Künstler
Hieronymus Bosch ist gewiss ein Mysterium und über sein Leben und seine Werke ist leider nicht gerade viel bekannt. Lediglich von 20 Bildern und einigen Zeichnungen kann stichhaltig behauptet werden, dass Hieronymus Bosch diese auch gemalt hat. Geboren wurde Hieronymus Bosch in den Niederlanden mit dem Namen Jheronimus van Aken. Der Name Hieronymus Bosch ist lediglich sein Künstlername, unter dem er bekannt wurde. Er entstammt einer Malerfamilie und schloss sich der Bruderschaft Unserer Lieben Frau an, wo er Kontakte zu seinen künftigen Arbeitgebern aus Kirche und Adel knüpfte. Zu dieser Zeit war es beinahe unmöglich, selbstständig aufwendige Werke zu finanzieren, so dass sich die Motive der Maler der Renaissance hauptsächlich auf Szenen aus der Kirchenwelt fixieren mussten. Doch Hieronymus Bosch hatte auch Kontakte zum Adel, der ihm mehr Freiraum in der Gestaltung seiner Werke bot, die schließlich zu den Meisterwerken wie “Der Heuwagen” und “Der Garten der Lüste” führten. Von Hieronymus Boschs Werken sind nur diejenigen, die auf Holztafeln und Papier gemalt wurden, erhalten. Ob er darüber hinaus noch Werke auf textile Leinwände malte, ist nicht bekannt.

Hier auf einem Ausschnitt aus dem Werk “Das Jüngste Gericht” sehen wir Beispiele für die unglaubliche Vielfalt von fantasievollen Sagenkreaturen und Wesen, die Hieronymus Bosch selbst entworfen hat.
Die Bilder
Die Bilder von Hieronymus Bosch strotzen nur so von Einfallsreichtum und Kreativität. Auf den ersten Blick wirken die unzähligen Figuren und Kreaturen auf Bildern wie “Der Garten der Lüste” wahllos zusammengewürfelt, doch steckt darin System und Symbolik. So verwendet Hieronymus Bosch bestimmte Figuren als Zeichen von Sünden. Kelche stehen für ihn beispielsweise stellvertretend für die Todsünde Wollust. Im Buch “Hieronymus Bosch – Das vollständige Werk” werden die zum Teil gigantischen Werke (also vom Ausmaß, gut gezeichnet sind alle Werke) in mehreren Fotos genauestens gezeigt. So ist es erstmals in einem Buch möglich, jedes noch so kleine Detail der Bilder genauestens zu studieren.

Allein dieser Ausschnitt aus dem Gemälde “Der Garten der Lüste” lädt zu den wildesten Spekulationen ein. Sehen wir hier tatsächlich ein Motorboot auf einem Bild aus dem frühen 16. Jahrhundert?
Der Text
Der Autor des Buches ist Stefan Fischer, der sich in seinem Leben sehr viel mit den Werken von Hieronymus Bosch beschäftigte. Auch seine Dissertation mit dem Titel “Hieronymus Bosch: Malerei als Vision, Lehrbild und Kunstwerk” widmete er dem außergewöhnlichen Künstler.
Das Mammutwerk “Hieronymus Bosch – Das vollständige Werk” gliedert sich in sechs Kapitel, sowie mehreren Anhängen. Das erste Kapitel “Familiäre Anfänge und erste Werke” beschäftigt sich mit der frühen Schaffensphase des Ausnahmekünstlers. Ein Werk aus dieser Zeit ist das Bild “Der heilige Hieronymus in der Einöde (bei der Buße)”, bei dem Hieronymus Bosch schon seine Andersartigkeit unter Beweis stellt, indem er den Heiligen als demütigen Asketen und nicht, wie üblich, als Gelehrten darstellt.
Kapitel 2 “Sozialer und künstlerischer Aufstieg” beschreibt den Werdegang von Hieronymus Bosch, der dazu führte, dass dieser bei der Erschaffung seiner Werke für Adelskreise große Freiheiten hatte, was die ungewöhnlichen Werke ermöglichte.
Kapitel 3 “Im Labyrinth der Bilder: Die Versuchung des heiligen Antonius”, erläutert am Beispiel eines seiner bekanntesten Bilder, dem Tryptichon (ein dreiteiliges Gemälde) “Die Versuchung des heiligen Antonius”, wie Hieronymus Bosch über gewohnte Konventionen hinwegschreitet und in einem kirchlichen Bild groteske Figuren und diverse Symboliken unterbringt, die gleichbedeutend neben der eigentlichen künstlerischen Aussage existieren.
In “Hochzeitskunst: Der Garten der Lüste”, dem 4. Kapitel, widmet sich Autor Stefan Fischer schließlich dem wohl bekanntesten Werk des niederländischen Malers. “Der Garten der Lüste” zeigt in einem gigantischen Tryptichon die Entstehung der Erde. Auf dem ersten Bild sehen wir Adam und Eva im Paradies, sowie die Schöpfung der Tierwelt. Im mittleren Hauptteil sehen wir die bevölkerte Erde, wo Tiere und Menschen friedlich Seite an Seite zusammenleben. Das Thema Lust bzw. Wollust ist beim Mittelteil das Hauptthema. Auf dem rechten Flügel wird die Hölle, in gewohnt fantasievoller Manier gezeigt. Als besonderer Clou erwartet den Betrachter beim Zusammenklappen des Tryptichons ein weiteres Werk, das den “Urzustand” der Welt als leblose Kugel zeigt. Gott sitzt am Rand und ist kurz davor, den Planeten mit Leben zu füllen. Das Buch “Hieronymus Bosch – Das vollständige Werk” zeigt nicht nur in unglaublich detaillierten Bildern jede Einzelheit des Werks “Der Garten der Lüste” auf, sondern präsentiert durch einen besonders aufwendigen Druck das Gesamtwerk als auffaltbares Klappbild in der Mitte das Buches.
In Kapitel 5 “Kunst für den König: Das Jüngste Gericht” bekommen wir die ganze Kreativität im finsteren Bereich des Künstlers zu spüren. Im Werk “Das Jüngste Gericht”, welches etwa um 1506 entstanden ist, werden uns unzählige Alptraumszenarien präsentiert, die Folter und unmenschliche Grausamkeiten aufzeigen, die Monster und Dämonen den Sündern antun.
Kapitel 6 “Exemplum docet: Späte Werke” präsentiert uns weitere Werke aus der späten Schaffensphase von Hieronymus Bosch, die alle extrem düster geprägt sind. Im Anhang finden wir noch einen Epilog, Kataloge der Bilder und Zeichnungen des Künstlers.
Fazit
Nur die Originalwerke in einer Ausstellung sind besser als die Würdigung von Hieronymus Bosch in diesem Meisterwerk von einem Buch.
Verlag/ Label: Taschen Verlag
Autor: Stefan Fischer
Veröffentlichung: 13.12.2013
Seitenzahl: 306
ISBN: 978-3-8365-2628-9
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite 2: http://www.whoswho.de/bio/hieronymus-van-aeken.html
Copyright Artikelbild: Taschen Verlag
Copyright andere Bilder: Taschen Verlag
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