Splitter Verlag

ROMAIN RENARD – Melvile – Die Geschichte von Samuel Beauclair

Ich sollte meine Hände vergolden und anschließend einrahmen lassen, denn dass ich schon wieder so einen genialen Glücksgriff landen konnte, kann einfach kein Zufall mehr sein. Nachdem ich vor kurzem schon vom Splitter Verlag den sehr guten Comicband “Little Tulip” rezensieren konnte, halte ich nun ein weiteres Meisterwerk in meinen Händen. Ein Comic, den ich nicht mehr aus den Händen lassen konnte, und der erste, der mich auch multimedial unterhalten konnte. Denn “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” ist nicht nur ein Comic, sondern enthält zusätzlich einen QR-Code zum Download des zugehörigen Soundtracks und einer App, die das Leseerlebnis zusätzlich intensivieren sollen. Das gelingt grandios, doch selbst ohne musikalische und multimediale Unterstützung ist “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” ein Comic, der seinesgleichen sucht und mit einer nie gekannten Intensität glänzt.

Die Handlung

Samuel Beauclair ist ein Buchautor, der aber nach einem gelungenen Werk nichts mehr zustande gebracht hat. Dieser Erfolg ist auch schon sehr lange her und so sieht sich Samuel Beauclair mit der drohenden Pleite im Haus seines verstorbenen Vaters mit seiner hochschwangeren Frau konfrontiert. Doch anstatt zu arbeiten flüchtet sich Samuel in den Alkohol und hofft vergeblich auf die Inspiration für einen zweiten Bestseller. Die Situation verschlimmert sich immer weiter, Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden und sein Verleger ruft ständig an und will verzweifelt Teile seines neuen Werkes lesen.

Eines Tages beim Bier – und Kippenholen stößt er auf die Anzeige eines Haushaltes in der Nähe, der eine Hilfskraft für Malerarbeiten sucht. Die Nummern zum Abreißen sind mit kleinen Herzchen versehen, die wohl der ausschlaggebende Grund dafür sind, dass Samuel diese mitnimmt. Kurz darauf meldet er sich tatsächlich beim Besitzer des Hauses, David, der zusammen mit seiner deutlich jüngeren Schwester Rachel zusammenlebt. Da David sich bei einem Unfall die Beine verletzt hat, ist er auf eine Hilfskraft angewiesen und stellt Samuel auch prompt ein. Dieser findet extrem Gefallen an der einfachen körperlichen Arbeit an der frischen Luft und freundet sich auch mit den Hausherren an. Mit David verbindet ihn nach wenigen Tagen eine richtige Freundschaft und mit der jungen und hübschen Rachel wechselt er immer wieder schüchterne, verstohlene Blicke. Sie scheint neben seinem Buch auch Interesse an ihm selbst zu finden, was auch ihr großer Bruder David bemerkt, der sich über eine Liaison sogar freuen würde.

Doch Samuels Frau Sarah bemerkt, dass hier etwas im Gange ist und wirft Samuel sobald er nach Hause kommt vor, dass dieser ihr erneut fremdgeht. Denn ihre Beziehung war schon einmal wegen einer von Samuels Eskapaden am Abgrund. Doch die Harmonie zwischen der nymphenhaften Rachel und dem kreativen Schriftsteller Samuel ist zu groß und so kommt es wie es kommen muss…

Von der ersten bis zur letzten Seite ein audiovisuelles Meisterwerk

“Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” ist ein ganz besonderer Comic, das merkt man schon direkt nach dem Aufschlagen. Ob ihr euch vor dem Lesen erst den Soundtrack herunterladen wollt ist natürlich euch überlassen, aber ich kann euch die ruhigen Klänge, die nicht beim Lesevergnügen stören, durchaus empfehlen. Mich reißen oft schon leise Geräusche aus der Konzentration und nur wenige CDs und Musikstücke finde ich, eignen sich dafür, neben dem Lesen mitzulaufen.

Hier erweitert der Soundtrack zum Comic aber sogar das Leseerlebnis, wobei der Hauptteil wirklich beim Comic selbst liegt, der uns in die Welt von Samuel Beauclair entführt. Dieser schafft es durch einen einzigartigen Stil den Leser in eine herbstliche Welt in Nordamerika zu verschlagen, die uns sofort an die Stimmung diverser Filme erinnert; also an Dramen in ähnlicher Szenerie. Richtig hell ist es bei “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” ohnehin nie, die Bilder werden nur in gefiltertes Licht getaucht oder müssen sogar in vollkommener Dunkelheit zurechtkommen. Im alten Haus seines Vater Thomas Beauclair, herrscht stets eine finstere Szenerie. Samuels Frau Sarah kritisiert ihn hier andauernd aus guten Gründen, doch das treibt ihn nur dazu weiter abzuschalten und sich mit Alkohohl zu betäuben.

Die Bilder wirken in ihrer Abfolge beinahe wir ein Film, oft sehen wir sehr viele Bilder, die relativ wenig Handlung darstellen. Das ist für einen Comic recht ungewöhnlich. So entsteht aber ein fließender Übergang der zu einer flüssigeren Bewegung der Figuren führt, etwas was wir eigentlich nur aus Filmen kennen.

Andere Bilder, die die Naturszenerie oder den Himmel zeigen, wirken zum Teil derart realistisch und aufwendig gezeichnet, dass es sich eher um richtige Gemälde und kaum noch um Comickunst handelt. Der Autor und Zeichner des Comics, Roman Renard, erschafft mit “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” ein mehr als ungewöhnliches Werk. Ungewöhnlich im Sinne von außergewöhnlich genial. Noch nie habe ich ein Comicwerk dieser Intensität gelesen; zwar wurde ich hin und wieder von einem genialen Werk sofort in die Welt gesaugt, doch bei “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” war es noch intensiver.

Sicherlich war für mich auch ein ausschlaggebender Grund die Identifikation mit der Hauptfigur Sam, der obwohl ihm sein Leben aus der Hand gleitet und er die Verantwortung für seine schwangere Frau nicht tragen kann, dennoch eine nachvollziehbare Person ist, der das Leben über den Kopf gewachsen ist und die neu anfangen will. Ein kreativer Kopf, der nicht in der Lage ist, das Leben zu meistern, ein Umstand den vielleicht der ein oder andere kennt.

Der Comic

Anstatt die makellose Herstellung und Aufmachung der Splitter Comics immer wieder im Detail zu loben, wäre es einfacher die sehr gute Druck- und Papierqualität, das Großformat und das Hardcover, mit dem der Comic versehen wurde, sowie die diversen Bonusseiten mit einem neuen Adjektiv namens “splitter” zu versehen. Splitter zu sein, bedeutet also bei NecroWeb die Höchstpunktzahl in der Kategorie “Druckqualität und Haptik” abzustauben. Damit spare ich mir in Zukunft etwas Arbeit. 🙂

Die Bonusseiten erzählen bei “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” von der Einbindung des Soundtracks, verstecktem Bonusmaterial (kein Witz, mit einem Smartphone und der “Melvile-App” ausgerüstet, kann man beim Scannen der Seiten augmented reality Geheimnisse finden!) und von der Entstehung des Comics inkl. diverser Skizzen und vorbereitender Zeichnungen.

Fazit

Nach einem Jahr werde ich mich nicht mehr erinnern können, ob “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” nun ein Comic oder ein richtig guter Film war, so authentisch schafft es Romain Renard, die Geschichte von Samuel Beauclair darzustellen. Die Geschichte trumpft mit nicht gekannter Intensität, authentischen Figuren, einem realistischen Zeichenstil, einer filmreifen Bildabfolge sowie einer kaum vorhersehbaren Storywendung auf. Zusammen mit dem Soundtrack zum Comic wird “Melvile – Die Geschichte Von Samuel Beauclair” von Romain Renard zum Comicerlebnis der Extraklasse!

Verlag/ Label: Splitter Verlag

Autor: Romain Renard

Veröffentlichung: 01.06.2015

Seitenzahl: 136

ISBN: 978-3-95839-152-9

Altersfreigabe: unbekannt 

Webseite: http://www.splitter-verlag.eu/melvile-bd-1.html

Webseite 2: http://www.melvile.com/

Copyright Artikelbild: Splitter Verlag

  • 9/10
    Handlung - 9/10
  • 10/10
    Intensität und Atmosphäre - 10/10
  • 9/10
    Grafische Ausarbeitung - 9/10
  • 9/10
    Charaktere - 9/10
  • 10/10
    Innovation - 10/10
  • 10/10
    Druckqualität und Haptik - 10/10
9.5/10

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