AND ONE – Propeller

Aber eigentlich knallt es eh schon, und das von Anfang an mit dem Opener “Black Generation”. Bedrohlich und gefährlich wirkt der zunächst aufgrund der übereinander gelegten düsteren Synthie-Sounds. Diesen schließt sich dann ein strenger Beat an, Steve spielt mit seiner Stimme, singt mal kühl abweisend, mal irgendwie provokant hoch. Die Synthies treten zwar in den Hintergrund, vollbringen dort aber kleine einfache und eingängige, aber kreative Kunstwerkchen, die den Song dann doch wieder ein klein wenig auflockern, als wollten And One sagen: “Ey, cool bleiben, wir tun nur böse, damit du tanzt! Wir haben dich lieb!”

Gnadenlos vorwärtstreibender Beat, dämlicher Text, so lässt sich “Männermusik” zusammenfassen. Da der Song tatsächlich EBM-Anleihen hat (was And One vom ganzen Album behauptet haben, aber meiner Meinung nach nicht so recht zutreffen mag), muss man im Text natürlich auch das Augenzwinkern beachten – EBM ist ja so männlich! In diesem Sinne viel Spaß bei all dem männlichen Feiern und Reihern und Pressen und Stressen, ich muss mit “Männermusik” geschlechterbedingt ja auch nichts anfangen können und kann guten Gewissens weiterskippen – und lande bei “Synchronizing Bodies”. Hier sind die Melodie und der Beat so einnehmend, beschwingend, einfach geil, dass man sofort in total euphorische Stimmung gerät und nur noch tanzen möchte.

Ich sehe schon, wie “An Alle Krieger” die absolute Club- und besonders Livehymne wird, und wie Steve, der bei seinen DJ-Sets ja furchtbar gerne seine eigene Musik auflegt, es theatralisch und interaktiv gestalten wird, denn der Text bietet sich dafür absolut an. Der Song hat wegen seinem schleppenden, schweren Rhythmus etwas Beschwörendes, man fühlt sich als “Krieger” angesprochen, möchte wie befohlen die Fäuste in die Luft heben und Treue bis in die Gruft schwören. Das Lied ist schon beeindruckend, aber einige Zeilen finde ich doch ein wenig zu kriegerisch, dafür, dass es eigentlich nur darum geht, gemeinsam And One Musik zu hören. Die Anspielung auf den And One Song “Krieger” finde ich aber cool – aber mit Anspielungen auf und Erwähungen alter Song geizen And One ohnehin nicht!

“Nyctophiliac” ist ein – passend zum Titel, welcher so viel wie “Liebe zur Dunkelheit” bedeutet – düsteres und langsames Stück, das besonders im Refrain auch eine gewisse Dramatik hat und dann aber in einer Instrumentalpassage geradezu bedächtig wird – hier zeigen And One ihre stärkste Seite!
“Zwei Tote” beginnt zwar fast wie der alte And One Hit “Deutschmaschine”, entwickelt dann aber durch seine markante und wahnsinnig eingängige Melodie und die lebhaften Synthies doch seinen eigenen Charakter, der auch deutlich sanfter ist als der von “Deutschmaschine”.
“Before I Go” ist neben “Synchronising Bodies” und “Nyctophiliac” mein Highlight auf “Propeller”. Man möchte sich zum Uptempo-Beat bewegen, die Synthies sind in wohlbekannter Weise verspielt, vor allem gegen Ende präsentieren And One ein paar richtig coole Motive, die Melodie frisst sich nur so in die Gehörgänge und man möchte sofort mitsingen.

“U-Boot Krieg in Ostberlin” hat – meiner Meinung nach – neben “Männermusik” noch am ehesten EBM-Anleihen. Der Titel klingt zwar höchstpolitisch, es geht aber eher ums Koksen und Vögeln.

“Love is war”, begrüßt einen eine kalte Computerstimme bei “Up & Down“. Ich musste zunächst nachdenken, woher ich diese Melodie kenne, aber tatsächlich – das ist dieser 90er Jahre Hit von Captain Jack, der genauso hieß wie der Interpret. And One nehmen also diese Melodie, versehen sie mit einem hektischen Rhythmus und stressigen sirenenähnlichen Geräuschen. Es geht um Sex – hier verglichen mit einer militärischen Trainingsanlage. Doch selbst wenn dieser nur wenige Zeilen umfassende Text nicht wäre, würde mich das Lied schon wegen dieser Captain Jack Melodie und den Sirenen nerven.
Zum Glück retten And One den Gesamteindruck von “Propeller” mit dem letzten Song “New Wave Mother”. Es ist eine Hommage an Ecki Stieg, die das Album richtig schön – natürlich wie immer mit verspielten And One typischen Synthies – und ruhig ausklingen lässt.

Die Songs auf Propeller haben wirklich Pepp, einige von ihnen auch ein gewisses Maß an Aggressivität, auch wenn sie diesbezüglich mit etwa “Panzermensch” oder “Deutschmaschine” trotzdem noch nicht zu vergleichen sind. Für mich persönlich ist das überhaupt kein Nachteil, aber wer solche Songs erwartet hat, wird vielleicht doch ein wenig enttäuscht sein. Etwas zu platt sind mir die Texte – vielleicht kann ich aber auch Steves oft schlagworthaft formulierten Gedanken nicht folgen, und außerdem hab ich mit Zeilen wie “Maschinen dieser Welt, bekämpft den falschen Held” oder “Computer, Maschine, Panzermensch, geht grade aus, lasst es raus” auch noch nie viel anfangen können, und mag die Songs trotzdem.
Mit den Liedern auf “Propeller” machen And One zwei wichtige Sachen sehr richtig: Sie zwingen einen geradezu zum Tanzen, wenn auch anders als bei manchem früheren Song eher mit Strenge als mit Aggression, und sie spielen mit dem, was ihre größte musikalische Stärke ist, mit ihren Synthies. Zwar sind auf “Propeller” einige Songs  gar nicht meins (was aber hauptsächlich daran liegt, dass ich textempfindlich bin und meiner und Steves Humor nicht konform gehen), andere aber finde ich richtig geil, und das ist mir immer noch lieber als ein Album voller Durchschnittssongs.

Trackliste 

01 Black Generation
02 Männermusik
03 Synchronising Bodies
04 An Alle Krieger!
05 Nyctophiliac
06 Zwei Tote
07 Before I Go
08 U.Boot Krieg In Ostberlin
09 Up & Down
10 New Wave Mother

Verlag/ Label: Soulfood
Veröffentlichung: 08.08.2014
Webseite: http://www.andone.de/
Webseite 2: https://de-de.facebook.com/ANDONEoffiziell
Copyright Artikelbild: And One

  • 90%
    Klangqualität - 90%
  • 40%
    Texte - 40%
  • 80%
    Vocals - 80%
  • 90%
    Intensität - 90%
  • 70%
    Wiedererkennungswert - 70%
  • 100%
    Tanzbarkeit - 100%
78.3%

Kurzfassung

And One präsentieren im Rahmen ihrer Albumtrilogie gleich drei komplette Alben mit unterschiedlichen Schwerpunkten. “Magnet” hab ich mir schon vorgenommen und für hörenswert, aber nicht umwerfend befunden, nun ist “Propeller” dran. Während And One mit “Magnet” die freundliche Synthie-Pop-Band mimen, erschlägt “Propeller” den Hörer mit gnadenlosen Rhythmen, die nicht einmal mehr erahnen lassen, dass And One auch verträumt und freundlich sein können. Hier herrscht meistens harscher Befehlston: “Tanz, sonst knallt‘s!”

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