Ein Hördurchgang durch “Neuro”, das neue Album von Anna Aaron, einer jungen Singer-Songwriterin aus der Schweiz, hinterlässt viele Eindrücke, Gefühle, Assoziationen. Sobald man jedoch versucht, das Gehörte in Worte zu fassen, stellt man fest: Das ist gar nicht so einfach. Eigentlich ist “Neuro” kein Hexenwerk und wurde mit durchaus konventionellen Mitteln umgesetzt: Klaviermelodien, Gitarrenriffs, Synthieklänge, verschiedene Schlaginstrumente. Und dennoch ist etwas Fremdartiges in Annas Musik, das sich jeder Beschreibung entzieht.
Die auffälligsten Elemente sind vor allem der häufige Einsatz stark verzerrter Gitarren, die viel dominanter erklingen als auf dem Vorgängeralbum “Dogs In Spirit”, das melancholische Klavier in den Balladen, die Vielfalt an unterschiedlichsten Klängen und die vielen unterschiedlichen Stile, Einflüsse und Stimmungen.
“Neurohunger” etwa ist ein besonders rockiges Stück, das mit tiefen, gleichmäßigen Riffs beginnt, die gegen Ende aber immer experimenteller, schriller und verzerrter werden.
Auch in “Labyrinth” sind die rockigen Riffs bestimmend und tragen das flotte Stück. Jedoch ist der Song auch ein wunderbares Beispiel für die Vielfalt an Klängen in Annas Songs: Den Refrain begleitet eine eingängige Keyboardmelodie, man hört Schellen und hohe Elektro-Klänge.
“Girl” beginnt euphorisch und klingt besonders in seinem eingängigen, gitarrenlastigen Refrain lebhaft und frisch.
“Heathen” ist eine coole Nummer mit zackigem Beat und mit reserviertem Elektro-Charakter. Ein vielseitiges Soundfundament aus ganz verschiedenen Synthie-Klängen untermalt hier Annas kühlen Gesang. Die insgesamt irgendwie unnahbare, distanzierte Atmosphäre des Songs hat keine Auswirkungen auf seine Eingängigkeit. Tatsächlich ist “Heathen” sogar mit das eingängigste Stück, das sicherlich in Indie-Clubs auch die Tanzflächen füllen würde.
“Sutekina” ist ein basslastiges Stück mit leicht bluesigem Charakter und einer dezenten, doch vielfältigen Klanglandschaft im Hintergrund.
In “Doubleclub” überrascht Anna mit besonders tiefem Gesang. Das Stück beginnt minimalistisch und monoton und wird dann im Refrain heller, richtig sanft und bald darauf in der Strophe wieder düster. Die extrem verzerrten und dunkeln Riffs verleihen dem Stück auch etwas Bedrohliches.
Melancholisch und sanft präsentiert sich Anna Aaron in ihren Klavier-dominierten Stücken “Case”, “Linda” und “Simstim” mit seinen wunderschönen, harfenartigen Klängen im Refrain. Gesanglich vermag sie die sensiblen Stimmungen wunderbar einzufangen, singt zart und bedächtig und wirkt auf einmal zerbrechlich, behält aber immer eine gewisse Distanz bei, als wolle sie nicht alles von sich preisgeben. Am nächsten kommt man Anna in “Off”, einem Stück, auf dem sie nur begleitet von ganz leisen, dezenten Klängen anfangs fast a cappella über Entfremdung und Sehnsucht singt. Die hauptsächlich sphärischen Synthieklänge werden dann etwas lauter. Sie wirken sanft, verletzlich, zurückhaltend. Später kommt eine dunkle, monotone Trommel dazu. Das Stück bleibt aber trotzdem sehr dezent und ist auch das langsamste auf “Neuro”.
Die Stücke “Stellarling” und “Totemheart” zeichnen sich beide durch ihren rituellen Charakter aus, bedingt durch ihre druckvollen, gleichmäßigen Rhythmen und durch ihre Vielfalt an verschiedenen Klängen, von denen viele nicht wirklich beschreibbar sind.
Das Album “Neuro” klingt vielseitig, experimentell, besonders und irgendwie fremdartig. Annas Stücke faszinieren, aber sie sind keine Musik für alle Situationen oder für unterwegs, man muss schon Lust drauf haben, in ‘Anna Aaron-Stimmung’ sein und sich bewusst drauf einlassen, dann ist “Neuro” ein schönes und stimmungsvolles Klangerlebnis.
Besondere Erwähnung verdient noch Annas kräftige Stimme, die von ausgelassen über bedrohlich bis hin zu traurig und nachdenklich alle möglichen Stimmungen erzeugen kann, aber letztendlich immer eine gewisse Kühle ausstrahlt.
“Neuro” ist letztendlich allen zu empfehlen, die offen für Neues und gerne bereit sind, sich die Zeit zu nehmen, um sich einzuhören sowie wissen möchten, was auf dem Album so fremdartig und schwer in Worte zu fassen ist.
Verlag/ Label: Two Gentlemen
Veröffentlichungsdatum: 14.03.2014
Trackliste:
01 Case
02 Stellarling
03 Girl
04 Linda
05 Labyrinth
06 Sutekina
07 Off
08 Neurohunger
09 Doubleclub
10 Heathen
11 Totemheart
12 Simstim
Webseite: http://www.annaaaron.com
Webseite 2: https://www.facebook.com/annaaaronmusic
Copyright Artikelbild: Two Gentlemen
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Kurzfassung
Anna Aaron ist eine außergewöhnliche Sängerin, die auf “Neuro” einen ganz eigenen Sound kreiert hat.