ANNA CAREY – Blackbird

Was mir hier vorlag, ist nicht das Buch, sondern das (nur digital erhältliche) Hörbuch von Anna Careys Thriller “Blackbird”. Hörbücher rezipiere ich eher selten – mir passiert es zu schnell, dass ich abschweife und einen Teil der Handlung nicht mitbekomme. Andererseits, dachte ich mir, probier ich’s mal wieder aus, und sollte ich den Faden verlieren, spricht das vielleicht auch dafür, dass die Geschichte langweilig ist. Ich hab aber konzentriert durchgehalten, und das alle 363 Minuten lang – “Blackbird” war zu spannend, um abzuschweifen.

Interessant kombiniert, aber nicht neu: Die Handlung von “Blackbird”

Man schaltet das erste Kapitel ein und ist sofort mitten im Geschehen: Ein Mädchen liegt auf den U-Bahn-Gleisen in Los Angeles. Sie hat keine Ahnung, wie sie da hingekommen ist und weiß auch sonst nichts über sich, nicht einmal ihren eigenen Namen. Sie gibt sich selbst den Namen Sunny. Sie hat nichts bei sich, außer ihrem Rucksack mit seltsamen Utensilien darin. Ihr mysteriöser Irrweg durch die Metropole beginnt und sie merkt schnell, dass sie sich nicht einfach nur verirrt und ihr Gedächtnis verloren hat, denn irgendwer beobachtet sie und beeinflusst die Geschehnisse, die ihr widerfahren und schließlich bedrohen vollkommen fremde Menschen sogar ihr Leben. Sie muss in etwas Professionelles geraten sein, das begreift sie recht schnell. Was genau es mit ihrer seltsamen und gefährlichen Situation auf sich hat, versucht sie im Verlauf des Romans herauszufinden.

Ein Mensch ohne Gedächtnis auf der Suche nach seiner Identität, das ist nicht neu. David Lynch Fans werden das aus “Mulholland Drive” kennen und auch die Ideen im weiteren Verlauf des Romans gibt es schon: Reiche Arschlöcher, die mit ihrem Geld ihre kranken Fantasien ausleben, kennen wir aus Filmen wie “Acht Millimeter” oder “Hostel”. Aber man muss ja auch kein Rad komplett neu erfinden, und außerdem ist “Blackbird” ein Jugendthriller und die genannten Filme allesamt nicht jugendfrei oder mindestens ab 16, sodass die Hauptzielgruppe die Filme eh nicht kennen sollte. Anna Carey hat jedenfalls aus bekannten Ansätzen durchaus etwas Eigenes zusammengemischt und auch die eine oder andere Idee gehabt, die mir so noch nicht begegnet ist.

Zur Auflockerung der doch recht schweren Handlung hat die Autorin auch einige nette, jugendgerechte Zwischenszenen eingebaut, wie die ganze Geschichte rund um Sunnys rebellische Freundin Izzy und auch eine kleine Liebesgeschichte, die zwar recht vorhersehbar ist, aber okay, sie bleibt immerhin recht dezent.

Was ein wenig unbefriedigend ist, ist das doch recht offene Ende des Romans, aber ich vermute mal, dass “Blackbird” eine Buchreihe werden soll.

Erfrischend und ungewöhnlich: Die Du-Perspektive

Anna Carey hat eine ungewöhnliche Perspektive gewählt: Sie spricht die Protagonistin Sunny mit “Du” an, was natürlich Nähe schafft. Ich vermute, dass die Autorin bezwecken wollte, dass sich der Leser mit dem Mädchen identifiziert und sich in ihre Lage versetzt fühlt und so tief wie möglich im Geschehen versinkt. Ich denke, auf diese Perspektive muss man sich einlassen, womöglich wird der eine oder andere davon eher irritiert sein, aber ich sehe es als Pluspunkt, dass Anna Carey hier mal was Neues ausprobiert hat.

Um zu erfahren, was hier eigentlich vor sich geht, muss der Leser aber über die Perspektive von Sunny hinausblicken und etwas über die Hintergründe oder gar Existenzen von Menschen erfahren, von denen Sunny nichts wissen kann. Sonst würde alles reine Spekulation bleiben. Das löst Anna Carey, indem sie immer wieder mal ein Kapitel einbaut, das in der dritten Person von anderen Figuren aus dem Roman erzählt.

Klar wundert man sich zuerst und diese Kapitel stellen einen Bruch im Lesefluss dar, aber letztendlich ist das eine ganz gute Möglichkeit, dem Leser ein kleines Bisschen mehr Durchblick zu verleihen. Diese Kapitel sind übrigens sehr weit über die Geschichte verteilt, sodass man immer nur ein Puzzleteil bekommt, das man dann, während die Geschichte aus Sunnys Perspektive weiterläuft, versuchen kann, an irgendeine passende Stelle zu setzen. So kann man selbst hin und her überlegen und hat dabei ein paar wenige Infos mehr als Sunny.

Ansonsten hat Anna einen einfachen, lockeren und modernen Schreibstil, der zwar nichts Besonderes ist, an dem es aber auch nichts auszusetzen gibt.

Die sympathische Stimme der Hörbuch-Sprecherin

Die Hörbuchfassung von “Blackbird” wird gesprochen von Simona Pahl, was eine wirklich wunderbare Wahl ist, denn Simona hat eine warme, angenehme Stimme, der man gerne zuhört und trägt – was noch viel wichtiger ist – sehr viel zur packenden Wirkung von “Blackbird” bei. Bei der wörtlichen Rede und Sunnys Gedankengängen bringt sie die richtigen Emotionen authentisch rüber und liest auch die verschiedenen Rollen mit hohem Wiedererkennungswert. Man weiß, wann Sunny, Izzy, Ben oder Ivan sprechen, obwohl es immer dieselbe Stimme ist, und trotzdem bleibt die Leserin dabei ungekünstelt und übertreibt es beispielsweise nicht bei der Vertonung der Männerstimmen.

Das insgesamt 363 Minuten (also sechs Stunden) lang dauernde Hörbuch ist kurzweilig und die Pausen zwischen den Kapiteln, also den einzelnen Hörbuch-Tracks, die meist zwischen zwei und sechs Minuten lang sind, fallen überhaupt nicht auf und stören den Hörgenuss überhaupt nicht. Auffällige Pausen gibt es nur dann, wenn sich die Perspektive ändert und nicht mehr von Sunny erzählt wird, sondern von einer anderen Romanfigur, aber das ist auch gut so, um nicht durcheinander zu kommen.

Fazit

“Blackbird” von Anna Carey ist ein gutes Jugendbuch, das eine spannende und interessante, wenn auch nicht wirklich innovative Geschichte erzählt. Es ist (vermutlich) kein Meisterwerk, das in die Jugendbuchliteratur eingehen wird, aber es hat mir Spaß gemacht, es anzuhören, auch in privater Hinsicht. Man muss also kein Teenager sein, um Gefallen an dem Buch zu sein, man muss nur bereit dazu sein, jugendliche Protagonisten ins Herz zu schließen. Die Hörbuchfassung ist besonders Dank der tollen Sprecherin sehr gelungen.

Verlag/ Label: Audio Media Verlag
Autor: Anna Carey
Veröffentlichung: 13.11.2014
Copyright Artikelbild: Audio Media Verlag

  • 80%
    Schreibstil - 80%
  • 90%
    Intensität - 90%
  • 70%
    Handlung - 70%
  • 50%
    Innovation - 50%
  • 100%
    Sprecherin - 100%
78%

Kurzfassung

“Blackbird” ist ein Jugendroman und das neue Buch der amerikanischen Schriftstellerin Anna Carey, die sich zuvor mit der Trilogie „Eve“ einen Namen gemacht hat. Die Story ist kein Meilenstein an Innovation, aber durchaus mitreißend, was aber nicht zuletzt auch der talentierten Hörbuch-Sprecherin zu verdanken ist.

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