Vielleicht liegt es am Bandnamen, der zunächst aussieht wie ein gemischter Buchstabensalat, dass ASIDEFROMADAY (oder, mit Worttrennung, A SIDE FROM A DAY) nach rund 13-jährigem Bestehen noch immer ein Geheimtipp sind, denn gemessen an ihrem musikalischen Können hätten sie definitiv mehr Ruhm in der Szene verdient.
Das beweisen sie mit ihrem aktuellen Album “Chasing Shadows”, denn hier veranstaltet die Band ein brachiales, mitreißendes und atmosphärisches Post-Metal Feuerwerk, das im ersten Augenblick sperrig erscheint, sich jedoch voll entfaltet, wenn man genauer hinhört.
Schon nach wenigen Sekunden vermag das erste Stück “Process Of Static Movement” genau die Ruhelosigkeit auszudrücken, die im Text thematisiert wird: “Nowhere to go, nowhere to settle, scared by something they can’t name as well”.
Immer wieder gibt es Tempobrüche und Motivwechsel, die Riffs sind mal kurz und abgehackt, mal ausgedehnt und schwer. Atmosphärische Keyboard-Arrangements verleihen dem Song, subtil im Hintergrund, und doch entscheidend für seine Stimmung, breite Flächen und eine gewisse hoffnungslose Langsamkeit trotz der heftig gewitternden Gitarren und dem aufgebrachten Schreigesang im Vordergrund.
Die wichtigsten Merkmale von “Chasing Shadows” sind damit schon genannt, denn diese Vorgehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch alle sieben Songs, die Post-Metal-typische Spielzeiten zwischen knapp fünf und knapp neun Minuten haben.
Jedoch reicht es zur Beschreibung des Albums keineswegs aus, zu sagen, ASIDEFROMADAY kombinieren heftige Metalstürme mit ruhigen Arrangements, denn die Musik der französischen Post-Metal-Band ist so komplex und abwechslungsreich, ihre Songs stecken voller so vieler feiner Details und erzeugen so unterschiedliche Stimmungen, dass eine genaue Beschreibung zumindest einiger Songs notwendig ist, um die Wirkung des Albums ungefähr vermitteln zu können.
Während etwa der Opener wie erwähnt von Ruhelosigkeit durchzogen ist, repräsentiert das folgende Stück “Death, Ruins And Corpses” Angst und Verzweiflung.
“Wolf Tears Are Falling Stars” hingegen steht mit seiner sanften, melancholischen Melodie, die von einer Oboe oder einem ähnlichen Blasinstrument gespielt wird, seinem langsamen, bedächtigen Rhythmus und seinen klagenden Gitarrenriffs für triefende Traurigkeit. Es ist jedoch nicht immer auszumachen, welche Elemente genau es sind, die die jeweilige Emotion so treffend einfangen, denn letztendlich arbeiten ASIDEFROMADAY ja stets mit sehr ähnlichen Mitteln.
Viele, teilweise minutenlange Instrumentalpassagen durchziehen die Songs, und die Komplexität der Musik ist zu einem großen Teil durch die vielen, manchmal sehr radikalen und überraschenden Motiv- und Tempowechsel bedingt, wobei sich Motive jedoch auch immer mal wiederholen und den Songs so Wiedererkennungswert verleihen.
Am Ende des Albums stehen mit “Endless Prophecy” und “Chasing Shadows” noch mal zwei Highlights an durchstrukturierter Komplexität: “Endless Prophecy” beginnt mit einer schwachen Klaviermelodie, die klingt, wie von einem Sterbenden gespielt, und sodann jäh unterbrochen wird durch ein schweres Gitarrengewitter. Insgesamt bestimmen auch diesen Song wieder atmosphärische Keyboard-Arrangements und zahlreiche Tempowechsel, von denen der unerwartetste und zugleich großartigste jener ist, als das Stück schon ausklingt und man als Hörer das Ende vermutet, stattdessen aber eine schwere, doomartige Passage mit flächigen, erdrückenden Riffs den Song zur Perfektion bringt.
Zu Beginn des größtenteils instrumentalen Titelstücks hingegen steht ein ruhiges, cleanes Gitarrenintro, gefolgt von schweren Riffs. Ganz leise, fast unhörbar, flüstert Fred Nivard seinen Text, den er später jedoch noch mal gegrowlt wiederholt.
Dieses dramatische, heftige Ende rundet das Album perfekt ab und hinterlässt einen Hörer, der emotional aufgewühlt und verstört ist, jedoch auch schwer beeindruckt von so viel musikalischem Feingefühl überlegt, ob er sich noch mal in den Genuss dieses heftigen Werks begeben oder in seinen Alltag zurückkehren soll, denn beides ist definitiv nicht möglich.
“Chasing Shadows” ist kein Album für nebenbei, sondern eines, das seine volle Wirkung nur dann entfaltet, wenn man sich ihm voll hingibt. Ein Spaziergang an einem trüben Herbsttag oder ein einsamer Abend bei Kerzenschein ist ein idealer Moment, um dieses Album einzulegen und es sich konzentriert zu Gemüte zu führen.
Die einzigen Beschäftigungen, denen nebenbei nachgegangen werden kann, sind das Anschauen des apokalyptischen Artworks und das Lesen der philosophischen Zeilen, die im Booklet über jedem Songtext platziert sind, die drückende Albumstimmung noch einmal unterstreichen und mit dem Satz “Based on the recollection of a terrestrial journey, life is a subtle combination of fear and grace.” enden.
Wer Post-Metal oder auch andere komplexe und düstere Metalarten wie Doom Metal oder Progressive Metal mag und sich gerne einmal die Zeit nimmt, um ganz in einem Album zu versinken, sollte sich “Chasing Shadows” unbedingt zulegen, Enttäuschung halte ich für fast ausgeschlossen.
ASIDEFROMADAY - Wolf's Tears Are Falling Stars
Trackliste
01 Process Of Static Movement
02 Death, Ruins And Corpses
03 Wolf Tears Are Falling Stars
04 Black Sun
05 Through The Eye Of The Beholder
06 Endless Prophecy
07 Chasing Shadows
Verlag/ Label: Division Records
Veröffentlichung: 00.00.2013
Webseite: http://asidefromaday.com/
Webseite 2: http://asidefromaday.bandcamp.com
Webseite 3: http://www.facebook.com/ASIDEFROMADAY
Copyright Artikelbild: Division Records
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