Die längste Zeit ihrer neunjährigen Bandgeschichte waren A LIFE DIVIDED eine engagierte kleine Band mit viel mehr Potenzial als Erfolg: Gegründet 2003, spielten sie sich die ersten Jahre durch Lokalfestivals in kleinen Clubs, brachten in Eigenvertrieb zwei CDs heraus, wurden dann, das war der erste größere Schritt, von bekannten Bands als Vorband eingepackt und durften sich von nun an auf großen Bühnen vor fremdem Publikum behaupten. 2008 dann, nach einer Support-Tour mit Eisbrecher, wurde es still um die kleine Band aus Geretsried, einer kleinen Stadt in der Nähe Münchens, geplante Konzerte wurden abgesagt und A Life Divided verschwanden von der Bildfläche. Ein nicht ungewöhnliches Schicksal für die meisten Bands. Einen Versuch wars wert und immerhin hat man mal auf großen Bühnen gespielt.
A Life Divided in Augsburg
Wie aus dem Nichts kamen A Life Divided 2011 jedoch wieder. Im Gepäck hatten sie einen Plattenvertrag mit AFM Records, das Album “Passenger”, eine Support-Tour mit Apokalyptica, Auftritte auf großen Festivals und regelmäßige Headlinershows. Und ab diesem Zeitpunkt wechselte die Band ihren Kurs. Von nun an sollte es steil Berg auf gehen, denn plötzlich waren alle möglichen Augen und Ohren auf A Life Divided gerichtet, als hätte die Rockwelt schon sehnsüchtig auf ihre Rückkehr gewartet: Bekannte Radiostationen wie Antenne Bayern begannen, ihre Songs in ihrem Rockprogramm zu spielen, große Festivals wie das M’era Luna gewährten ihnen Auftritte, die Anzahl an Konzertbesuchern stieg stetig an bis die Band schließlich Anfang des Jahres 2012, zumindest in ihrer Heimatstadt München, vor ausverkauften Clubs spielte. Am 07. Juni 2012 kehrte die Band, wiederum nach einigen Monaten weitestgehender Livepause, zu einem Headliner-Konzert im Augsburger Spektrum, einem überschaubaren gemütlichen Club am Stadtrand, ein und bewies, dass sie auch außerhalb der heimatlichen Stadtgrenze ein stattliches Publikum ziehen kann. So formierte sich eine bunte Zuhörerschaft, der, bevor A Life Divided ihr Konzert bestritten, erst einmal die Münchner Band HELEN WAS HERE ihr Können 40 Minuten lang unter Beweis zu stellen versuchte. Eine nette Rockband, noch etwas schüchtern und unscheinbar auf der Bühne, qualitativ nicht über-, aber auch keinesfalls unterdurchschnittlich. Ihr Alternative-Sound versprühte einen bodenständigen und natürlichen Charme und war zur Einstimmung durchaus angenehm anzuhören, schien aber niemanden besonders vom Hocker zu reißen. So war die Reaktion des Publikums gelassen und unbeeindruckt, aber durchaus wohlwollend.
Bis hierhin also ein netter, aber unspektakulärer Abend, bis dann kurz nach halb zehn die Headliner einen fulminanten Start in ihr Konzert hinlegten. Wie das funktioniert, haben A Life Divided inzwischen begriffen: Mann für Mann betraten die Musiker die noch in Dunkelheit gehüllte Bühne und lösten jeder für sich einen eigenen tosenden Applaus aus, bis schließlich Energiebündel und Sänger Jürgen Plangger auf die Bühne schoss und die Band mit “Change” einen Opener präsentierte, der energischer nicht hätte sein können. Doch auch die folgenden Stücke bot die Band mit vollem Elan und größtmöglichem Enthusiasmus dar. Von der Spielfreude der Band angeregt, herrschte auch im Publikum reges Treiben und die Songs wurden vielfach mitgesungen, -gebangt und –getanzt.
Selbst als mit “Other Side” und “Save Me” zwei Stücke auf der Setliste standen, die als Studioversionen eher als balladesk zu bezeichnen wären, konnte von einer Verschnaufpause nicht die Rede sein, wenn denn überhaupt irgendwer das Bedürfnis nach einer solchen gehabt hätte, denn live sind diese Songs richtige Kracher. “Other Side” verschlägt jedem, der hier von “Ballade” spricht, mit einer Wucht von Refrain die Sprache, während die Riffs, die zwischen den Strophen von “Save Me” eingebaut sind, den Hörern live um Welten brachialer um die Ohren gefegt werden als aufgenommen.
Auch zwei neue Songs hatte die Band im Gepäck. Einer von ihnen war das erst zwei Mal zur Aufführung gekommene “The Lost”, ein typischer A Life Divided – Song: Flott, emotional, mitreißend und wahnsinnig energisch, dessen Unbekanntheit nichts daran änderte, dass das Publikum ihn begeistert feierte. Die Band verstand das als eindeutige Zustimmung zu einer Aufnahme aufs neue Album, an dem sie laut Jürgen fleißig arbeiten. Das zweite neue Lied hat mit Sicherheit einige Anwesende überrascht, und zwar interpretierte die Band, nach “Walking In My Shoes” von Depeche Mode und dem berühmten “Sounds Like A Melody” von Alphaville nun einen weiteren elektronischen Song auf ihre charakteristische Weise neu: Diesmal ist es “Perpetual” von VNV Nation, dem A Life Divided mit einer ordentlichen Portion Metal die Eier immens vergrößern.
Mit den Songs “Isolation”, “Kind Of Grey”, “Hand Of Healing” und “The Ordinary”, die einzige Ausnahme auf der Setliste, die die Bezeichnung “Ballade” tatsächlich verdient hat, war auch das 2006er-Album “Far” recht gut repräsentiert. Lässt die Band die älteren Stücke bei kürzeren Auftritten auf Festivals und Supportshows, wo der Anteil an fremdem Publikum hoch ist, weg, so werden sie in die Setlisten auf Headlinershows immer wieder eingestreut und erfreuen sich bei den eigenen Fans enormer Beliebtheit, was vor allem für “The Ordinary” und seine besondere Darbietung gilt. Tatsächlich findet hier der einzige ruhige Moment eines A Life Divided – Konzertes statt. Trägt in der Studioversion ein elektronisches Fundament die Strophen, begleiten sie Mike live, auf Hockern sitzend und in angenehmes (Adjektiv nach fachmännischem Einwand seitens des zuständigen Lichttechnikers geändert) blaues Licht getaucht, auf einer Akustik- und Toni auf einer cleanen E-Gitarre. Jürgens Inbrunst beim Singen ist unmöglich zu Papier zu bringen, weil man sie eigentlich, wollte man ihr gerecht werden, bei jedem Song aufs Neue betonen müsste. In jedem Fall gibt es wenige Musiker, die ihre Songs auf der Bühne so intensiv leben.
Überhaupt zeigt der zunehmende Erfolg bei der Bühnenpräsenz allmählich eine immer größer werdende Wirkung: Von Mal zu Mal gehen A Life Divided mehr aus sich heraus, die Interaktion mit dem Publikum und vor allem miteinander wird intensiver, und Jürgen scheint sich mit der Rolle als umschwärmter Sänger zunehmend identifizieren zu können, weist doch sein Auftreten immer auffälligere Rampensau-Charakterzüge auf, wobei Einflüsse gewisser Frontmänner, mit denen er als Gitarrist von Eisbrecher des Öfteren eine Bühne teilt, kaum von der Hand zu weisen sind. Zusammen mit Jürgens charmanter Bescheidenheit vereinen sie sich zu einer sympathischen Mischung. So gibt er nicht nur mehrmals, sein verschmitzt-schüchternes Lächeln verschenkend, seine Freude über die Anwesenheit der zahlreichen Zuschauer kund und nutzt jede Gelegenheit, seinen Dank Richtung Publikum auszusprechen, sondern weiß auch mit lustigen Aktionen zu unterhalten, die teilweise auf Kosten oder zu Nutzen, wie man es nimmt, seiner Fans gehen. So holt er den langjährigen Fan, den ich an dieser Stelle mal namentlich erwähne, hallo Klaus, auf die Bühne und gibt ihm die einmalige Gelegenheit, das Konzert als Singlebörse zu nutzen (“Klaus, mach dich mal für die Frauen interessant, das ist deine Chance!”). Auch ein über die Bühne huschender Techniker wird ein Bisschen auf den Kieker genommen, wohingegen Jürgen sich über seine Bandkollegen (noch) nicht lustig macht. Wahrscheinlich, weil er die Opferrolle zu gut kennt.
A Life Divided schlossen also mit “Anyone” und “Sounds Like A Melody”, inzwischen ein populärer Clubhit, das reguläre Set nach fast 90 Minuten ab. Mit viel Bewegung und Stimmeinsatz wurde die Band von den Zuhörern begleitet und im Anschluss zurück auf die Bühne verlangt. Entsprechend bereitwillig ließ sich dann das Publikum auch dazu bewegen, “Words“” das erste Stück der Zugabe, gesanglich zu unterstützen. Die Party ging also noch drei Songs lang weiter, bis die fünf ehrgeizigen jungen Musiker schließlich nach ihrer standardmäßig am Ende stehenden Hymne über die unerfüllte Liebe – “Heart On Fire” – ihre vor Emotionen, Energie, Spielfreude und Leidenschaft nur so strotzende Rockshow schließlich beendeten und laut jubelnd von ihrem Publikum verabschiedet wurden. Dieses übrigens war bezüglich seiner Geschlechterverteilung recht ausgeglichen, ihr Image als Mädchenband legen A Life Divided offensichtlich also trotz stark gefühlsbetonter Texte und enormer Attraktivität der Musiker allmählich ab, letztendlich müssen wohl doch auch Männer zugeben, dass sie dankbar dafür sind, dass einmal ein Mann ausspricht, worüber sie selber selten reden und/oder dass sie sich dem Charme der hübschen Truppe nicht entziehen können. Die stark emotionale Komponente ist vermutlich deshalb auch für Männer so ansprechend, weil A Life Divided, und das wird live an Abenden wie diesem Fronleichnam in Augsburg besonders deutlich, die Emotionen, auf denen ihre Musik fußt, auf eine weise darbieten können, die nicht mal ansatzweise kitschig oder schmalzig wirkt. Seichte Mädchenherzen zum Schmelzen bringen kann fast jeder (wenn er will), aber die Fähigkeit, Männern und Frauen gleichermaßen aus der zu Seele sprechen und es dabei richtig laut und ordentlich krachen zu lassen, die ist wenigen Musikern vorbehalten. A Life Divided gehören definitiv dazu.
Außerdem hat dieses Konzert einmal mehr deutlich gezeigt, dass die Chancen darauf, dass die eingangs erzählte Geschichte über A Life Divided irgendwann ein Kapitel namens “Der richtig große Durchbruch” beinhalten wird, richtig gut stehen.
Setliste A Life Divided
01 Change
02 Isolation
03 Doesn't Count
04 Walking In My Shoes
05 Other Side
06 Save Me
07 The Lost
08 Kind Of Grey
09 Hand Of Healing
10 Perpetual
11 The Ordinary
12 Anyone
13 Sounds Like A Melody
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14 Words
15 Hey You
16 Heart On Fire
Datum: 07.06.2012
Veranstaltungsort: Augsburg, Spectrum
Ticketpreis: 17,50 Euro
Webseite: http://www.a-life-divided.de
Webseite 2: http://www.facebook.com/alifedivided
Copyright Artikelbild: A Life Divided, AFM Records