Die Wettervorhersage für Pfingsten war gut, das Ticket bereits eingetütet, also sprach nichts dagegen, sich zur Ruhrgebietsinstitution RockHard Festival 2015 auf den Weg zu machen. Arbeitstechnisch bedingt war es mir leider nicht möglich, bereits am Donnerstag mein Bändchen abzuholen, daher hieß es am Freitag erstmal Schlange stehen, mit Bekannten quatschen (Ja, die Metalgemeinde ist eine echte Familie. Gerade auf diesem kleinen Festival trifft man jedes Jahr wieder die gleichen netten Leute!) und aus der Ferne den Architects Of Chaoz zuzuhören. War mir der letzte Auftritt von Paule eher zuwider, muss ich zumindest sagen, dass er diesmal alle der von mir befragten Zuhörer überzeugen konnte. Ist ja auch nicht schlecht, oder?
Flotsam And Jetsam
Flotsam And Jetsam kenne ich noch von einem recht obscuren Vinyl-Sampler, den man vor drölfzig Jahren beim Bertelsmann Club erstehen konnte. Da haben sie mir bereits gut gefallen, ohne mich aber davon zu überzeugen mir das Album zuzulegen. Das hat sich auch mit dem Gig auf dem Festival nicht geändert. Was da von der Bühne zur wartenden Schlange an der Ausgabe herüber schallte klang zwar gut, aber für meinen Geschmack nicht gut genug, um eine Investition zu tätigen. Schade, aber zumindest bei ihrer Zielgruppe kamen sie gut an, was auch kein Wunder ist, denn so häufig lassen sich die Jungs nicht in unseren Breiten sehen.
God Dethroned
An meinen ersten Gig von God Dethroned erinnere ich mich immer noch gerne. Es war auf der ersten Ausgabe des Gelsenkirchener Festivals und die Band musste recht früh unter sengender Sonne auf die Bühne. Was hat mich die Show damals weggeblasen!
Um es kurz zu machen, auch ihre Comeback-Show war nicht von schlechten Eltern. Die reformierten Holländer pflügen direkt mit “Serpent King” in einen furiosen Set. Das Publikum dankt es zumindest im Pit mit ebensolcher Begeisterung. Die Ränge fallen mit ihrem Zuspruch leider etwas ab. Aber egal, die Mannen um Henri Sattler kümmert das nicht. Stattdessen haut man uns bei der ersten Deutschen Show seit der Reunion ein Klassikerset um die Ohren, das mir ein Dauergrinsen ins Gesicht zaubert. Es gibt Neueres wie zum Beispiel “No Man’s Land”, Älteres wie “Soul Sweeper” und geile Klassiker wie “Nihilism” von ihrem besten Album. Henri post und schneidet Grimassen, kündigt “Sigma Enigma” als ihren Mitsingsong an und macht genau wie der Rest der Band alles richtig. Kein Wunder also, dass nach dem Rausschmeißer “The Grand Grimoire” die God Dethroned Sprechchöre noch mehr verlangen.
Pentagram
Als ich Bobby Liebling von Pentagram das erste Mal vom Fotograben aus sah, es war mein erster Kontakt mit der Doominstitution, wunderte es mich nicht, dass wohl Wetten liefen ob er es überhaupt zur Bühne schafft, bzw. ob er das Set durchhalten kann. Leute, lasst die Finger von den Drogen, wirklich!
Die Anhängerschaft des US-Geheimtipps hatte sich allerdings nicht deswegen vor der Bühne versammelt, sondern um die Band ihren erdigen Doom zocken zu sehen. Die Jungs klingen wie alte Black Sabbath mit besserer Stimme. Ja, obwohl man es Bobby kaum zutraut, singen kann der Mann perfekt. Auch die Bühnenperformance ist, obwohl stark gewöhnungsbedürftig, durchaus passend. Der dröhnige, langsame aber druckvolle Doom zog die Zuschauer bis in die Ränge in ihren Bann. Crowdsurfer surften, Bobby “tanzte”, die Band zockte. Cool auch die bescheidenen Ansagen, in denen man sich höflich bedankte: “Thank you very much. You are very kind.” Gut gespielt war das Material auch, heraus stachen ganz klar “It’s A Dying World” und “All Your Sins”, bot aber insgesamt zu wenig Abwechslung. Trotzdem ernteten Pentagram am Ende ihres Set verdienten Applaus und brachten mich dazu den Namen Pentagram auf meine Liste für Neuveröffentlichungen zu setzen.
Venom
Den Freitagsheadliner Venom kannte ich noch von einer Radiosendung auf WDR 1. Vor langer Zeit gab es nämlich mal eine Heavy Metal Sendung, die immer Montag nachts ausgestrahlt wurde. Anfang der 90er gab es dort tatsächlich ein Bonner Konzert der, öhm, plakativen Satanisten oder besser “Long Haired Punks” zu hören. Tja, und jetzt dürfen sich die musikalischen Geister scheiden: Venom klangen in Gelsenkirchen genau so, wie damals im Radio: irgendwie matschig und uninspiriert. Irgendwie fiel es mir schwer, die Band zu genießen, zu langweilig war mir das Songmaterial, wieder zündete da außer den Pyros kein Funke. Ich bin aber ehrlich genug, dass es dem restlichen Publikum anders ging, denn hier konnte ich in verzückt bangende Pits gucken, die mächtig gute Stimmung machten. So schüttelte ich nur verwirrt mein Haupt und verließ den Ort des Geschehens mit dem guten Gewissen, der Band wenigstens wieder einmal eine Chance gegeben zu haben.
Samstag
Avatarium
Wenn Leif Edling etwas kann, dann ist es gute Songs schreiben. Das hat er mit Candlemass und Krux oft genug unter Beweis gestellt. Warum sollte es dann mit Avatarium anders laufen? Genau, tut es natürlich auch nicht. Manche bezeichnen den Sound der Band als Doom, ich würde ja eher von proggigem Psychedelic Rock sprechen, der auch in den heftigen Passagen sehr melodisch rüberkommt. Passend zum drahtigen Sound veredelt die Stimme von Sängerin Jennie-Ann Smith die Songs, die angenehm chillig von der Bühne dröhnten und im Rondell auf viel Zuspruch trafen. Die hochmotivierte Band gab ihr Bestes und erfreute die Zuhörer mit den besten Songs des 2013er Debüts: “Pandorra’s Egg” und “Avatarium”. Der Auftritt machte Spaß und versüßte die Wartezeit bis zum neuen Album, welches im November erscheinen soll.
Kataklysm
Zum totalen Kontrastprogramm liefen danach die Sons of Northern Hyperblast, besser bekannt unter dem Namen Kataklysm, ins Amphitheater ein. Los ging es mit meinem persönlichen Übersong “To Reign Again”, der sämtlichen Anwesenden die Restmüdigkeit aus den Knochen blies. Maurizios Ansagen machten danach klar, dass diese Band keine Gefangenen macht: “Erzählt mir nicht ihr wärt müde. Wir hatten nur 3 Stunden Schlaf diese Nacht und sind also viel müder als ihr!” Dass das eine glatte Lüge sein muss, wird jeder, der die Band auf der Bühne erlebt hat, glauben müssen. Da war keiner müde, weder im moshenden Publikum, noch auf den sich unter der musikalischen Macht biegenden Brettern. Es gab Crowdsurfer en Masse, Hörner überall und mit “Ghost & Gods” (vom neuen Album) und “The Serpent’s Tongue” (zum ersten Mal live) sogar zwei Premieren. Jaaa, Gewalt, Tod, Krieg und wahnsinniges synchrones Propellerbanging. Kataklysm legten das Theater in Schutt und Asche und ließen nach dem überragenden “Crippled & Broken” ein sabberndes aber zufriedenes Publikum zurück.
Sanctuary
Nevermore sind futsch, Sanctuary sind wieder da. Etliche Jünger der Letztgenannten fanden sich in Gelsenkirchen ein, um der Wiedergeburt der Seattle-Combo zu frönen. Warrel war gut bei Stimme und bestens gelaunt. Die ganze Band genoss den Zuspruch, der ihr ab dem ersten Riff entgegen flog. Warrel sprach ständig mit dem Publikum, egal ob es der Wunsch nach mehr Crowdsurfern, das Aufsparen der alten Songs für das Ende des Sets oder der Wunsch nach Chaos im Auditorium war. Insgesamt ging das ganze Publikum steil, vor allem meine Kumpels Thorsten und Bernie, obwohl klar war, dass die alten Songs deutlich stärker abgefeuert wurden als der neue Kram. Nichtsdestotrotz ein gelungener Gig einer Band, die man nicht alle Tage auf der Bühne erleben darf. Vor allem, wenn man ihn direkt mit den letzen Auftritten der “Vorgängerband” vergleicht.
Doro
Meine musikalische Sozialisation begann nicht erst in den “glorreichen” 80ern, sondern etwa eine Dekade früher. Von daher konnte ich der allgemeinen Euphorie über Doros 80er/Warlock Set nicht viel abgewinnen. Trotzdem muss ich anerkennend sagen, dass sowohl Show (Pyros, Krach, Bumm) als auch Songs durchaus gelungen waren. Doro selbst war supersympatisch und vor allem gut bei Stimme. Ihre Band poste wie die Weltmeister und war konstant in Bewegung. Den alten Damen und Herren vor der Bühne gefiel’s, vor allem als die Band Judas Priests “Breaking The Law” in der Lagefeuervariante mit akustischer Gitarre zum Besten gab. “All We Are” wurde im Anschluss bis in die oberen Ränge mitgegrölt, natürlich mit den üblichen Mitsingspielchen. Auch “Für Immer” funktionierte, obwohl ich es mir kaum vorstellen konnte, schließlich wurde Doro ja zwischen zwei musikalisch heftigere Bands gequetscht. Trotzdem konnte die Truppe um die Düsseldorferin bestehen und zeigte mit Energie und Sympathie, dass mit ihr noch lange zu rechen ist. Die Zugaberufe am Ende des Sets sprechen da einen eindeutige Sprache.
Kreator
Kreator gingen nach der Umbaupause mit eigener Lightshow und Projektionswänden auf die Bühne. Und was dann nach den Salutschüssen der Konfettikanonen ihren Lauf nahm war nicht mehr von dieser Welt. Mit “Enemy Of God”, “Phobia”, “Feel The Endless Pain” und martialischen Ansagen wie “Ruhrpottstyle Circlepit”, “Ruhrpott: Totale Zerstörung” wurde das Theater bis auf die Grundmauern niedergeschliffen. Crowdsurfer, Circlepits, Aggression beim Heimspiel der Essener Truppe. Als erste Show der aktuellen Tour ein grandioser und furioser Auftakt, der zeigt, dass Kreator noch lange nicht in der Routine versacken, sondern immer noch hungrig auf ihr Publikum sind und sich gemeinsam mit ihm in einen musikalischen Rausch spielen. Ein würdiger Headliner!
Sonntag
Refuge
Wer sich diesen Bericht bislang aufmerksam durchgelesen hat, wird sich an eine Radioüberstragung eines Venom Konzertes erinnern. Nun ratet mal, wer ebenfalls bei diesem Konzertereigniss auftrat und logischerweise auch übertragen wurde. Richtig, die alten Rage, in etwa der Besetzung, die heuer als Refuge in Gelsenkirchen auf die Bühne hopste. Und was hopsten die alten Recken zu alten und selten gespielten Songs, dass es eine wahre Freude war. Seit 21 Jahren hat diese Formation nicht gemeinsam auf der Bühne gestanden. Trotzdem spielten sie tight as Fuck, wobei beim Drummer Chris durchaus die Anstrengung auf der Stirn abzulesen war. Trotzdem hatten alle drei mächtig Spaß in den Backen und legten sich ordentlich ins Zeug. Und was für ein Zuspruch hallte ihnen aus dem Ampitheater entgegen! Da störte es auch keinen, wenn bei einigen Stellen der Gesang einen Ticken zu leise aus den Boxen kam. Sonnenschein und so geile Mucke zauberte allen Anwesenden das Moshen in den Nacken. Ein genialer Auftritt, gekrönt natürlich durch “Don’t You Feel The Winter” zum Abschluss. Mein heimlicher Headliner dieses Tages!
Michael Schenker’s Temple Of Rock
Michael Schenker’s Temple Of Rock. Ein Gitarrero und ein klasse Sänger zelebrieren Songs von den Scorpions, UFO usw. Sehr spielfreudig, sehr genialer Arbeitseinsatz (inklusive Grimassen von Mr. Schenker himself), aber es haben sich auch schon Leute totgegniedelt bei den Soli. Es gab Zuspruch und Zugaberufe, allerdings war die Stimmung deutlich schlechter als bei den Jungs vorher. Definitiv nicht mein Ding.
Overkill
Als Overkill mit “Electric Rattlesnake” in ihr Co-Headliner Set einsteigen, weckten sie alle müden Knochen, die während der vorigen Soloarien eingeschlafen waren. Was für ein Opener! Overkill sind immer noch in Bestform und putzen viele ihrer Thrashkollegen ohne Schwierigkeiten von der Bühne; und das seit mehr als 30 Jahren. Die Band ist jetzt zum dritten Mal im Lineup des RockHard Festivals und lässt auch dieses Mal nichts anbrennen. Dafür sorgen auch die zahlreich anwesenden Skullcrusher, die gerne die Rolle der Vormosher übernehmen und zusammen mit den restlichen Fans den Moshpit in Gang bringen. Es gibt Altes (“End Of The Line”, “Welcome To The Gutter”) und Neues (“Ironbound”) zu hören. Natürlich verzichtet die Band auch nicht auf “Fuck You”, nur um unter Beweis zu stellen, dass Blitz noch ein bisschen mehr Deutsch gelernt hat: “Verpiss dich!” Die Zugabespielchen wären nicht nötig gewesen, aber eine kleine Verschnaufpause war dennoch nett, bevor das Set viel zu schnell zu Ende war. Nächstes Mal bitte als Headliner, ok?
Black Star Riders
Was fehlt nach so einem geilen Festivaltag noch? Genau, eine ruhige Rockband als chilliger Ausklang des Festivals. Die Black Star Riders sind genau diese Band und leuteten mit ihrem Set das Ende des Festivals ein. Motiviert, virtuos und gut eingespielt zockt die Band einen HardRock Song nach dem anderen, immer mit einem guten Gespür für Harmonien und Melodien. Ja, das konnte man sich wirklich gut anhören, auch wenn es meinen persönlichen Härtegrad um ein Vielfaches verfehlte. Trotzdem eine gute Show und ein würdiger Abschluss.
Gesamtfazit: Es war wieder einmal ein hervorragend organisiertes Wochenende. Wer nicht dabei war ist selbst schuld und sollte sich wirklich vornehmen, das beste Festival im Ruhrgebiet jedes Jahr aufs Neue zu besuchen.
Coverbild Copyright : Rock Hard Festival
Datum : 22.-24.05.2015
Veranstaltungsort : Gelsenkirchen, Amphitheater
Ticketpreis : 82,50
Künstler : Kreator
Venom
Black Star Riders
Overkill
Doro
Sanctuary
Michael Schenker's Temple Of Rock
Pentagram
Kataklysm
Voivod
God Dethroned
Flotsam And Jetsam
Avatarium
Refuge
Sinner
Motorjesus
Channel Zero
Air Raid
Spiders
Architects Of Chaoz
Deserted Fear
Space Chaser