Der Wissenschaftler und Künstler Ernst Haeckel war in mehrerer Hinsicht ein wahres Genie und vermachte uns in den zahlreichen von ihm angefertigten ausführlichen Abbildungen und Beschreibungen von Kleinstlebewesen einen wahren Schatz. Bereits in der Rezension zu seinem Werk “Art Forms From The Abyss: Ernst Haeckel’s Images From The HMS Challenger Expedition“ hinterließen vor allem die detailreichen Bilder der verschiedenen mikroskopisch kleinen Unterwasserlebewesen bleibenden Eindruck, die der deutsche Wissenschaftler in schier unendlicher Emsigkeit zu Papier brachte. Heute schauen wir uns mit dem Buch “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ aus der Feder von Olaf Breidbach weitere von Ernst Heackels Werken an. Darüber hinaus bietet das Buch noch interessante Hintergrundinformationen dazu, wie z.B. Ernst Haeckel die Weltanschauung seiner Zeit bereicherte, und Gründe dafür, warum seine Kunst uns derart positiv anspricht:
Inhalt
Olaf Breidbach präsentiert uns im Werk “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ einen Teil der Arbeiten des deutschen Wissenschaftlers Ernst Haeckel. Ernst Haeckel war einer der wichtigsten Biologen seiner Zeit und ein starker Vertreter des Darwinismus. Seine Arbeit brachte ihm sogar den Titel des “Gegenpapstes“ ein, was einem regelrechten Ritterschlag Haeckels aus den Händen seiner Kollegen glich. Die Thesen der Evolution waren und sind der Kirche eben bis heute ein Dorn im Auge und widersprechen ihrer dümmlich-amüsanten Schöpfungslehre. Das besondere an Erst Haeckel war aber auch, dass er neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten auch das Herz eines wahren Künstlers besaß, welches ihm ermöglichte, Illustrationen von den von ihm beschriebenen Wesen anzufertigen und das in einer selten gesehenen Kunstfertigkeit, die ihn schon zu Lebzeiten zu einer wahren Kultfigur machte. Hauptsächlich beschäftigte sich Haeckel mit den eigentlich für uns unsichtbaren Kleinstlebewesen aus dem Wasser und vom Land, die er mit Hilfe von Mikroskopen erforschte, wissenschaftlich beschrieb und für uns in Form unendlich detaillierter Zeichnungen sichtbar machte. Auf diese Weise machte Haeckel uns wahre verborgene Welten sichtbar und entführt noch heute staunende Betrachter in die Welt des Mikrokosmos. Unter den unzähligen Wesen die Haeckel beschrieb waren z.B. die Radiolarien (auch Strahlentierchen genannt), Quallen, Pilze, Algen und viele andere winzige Naturwunder.
Im Buch wird zunächst auf die Lebensformen aus dem Wasser eingegangen, von denen wir bereits einige im Buch “Art Forms From The Abyss: Ernst Haeckel’s Images From The HMS Challenger Expedition“ von der berühmten Challenger-Expedition kennenlernen durften. Gerade diese zuvor vollkommen unbekannten Lebewesen zu entdecken, trieb Haeckel auch immer wieder an und er freute sich herzhaft über jede neu entdeckte Spezies, wie es der Nachwelt von Zeugen überliefert wurde. Diese emotionale Seite, die auch gerade der Kunst innewohnt auf der einen Seite, die kühle wissenschaftlich-rationale Seite auf der anderen waren beides Teile der Person Ernst Heackel, durch deren gemeinsames Zusammenspiel, welches man nur sehr selten bei einem Menschen erlebt, gelangen ihm Werke, die ihren Schöpfer noch lange Zeit überdauern werden und die noch in der Zukunft die Menschen lehren und inspirieren werden. Genauso ansprechend werden auch die Landlebewesen im zweiten Teil des Buches gezeigt, der jedoch mit über 200 Seiten Umfang etwa doppelt so groß ist wie der erste. Dort finden wir auch einen hochinteressanten Text Olaf Breitenbachs, auf den ich im nächsten Abschnitt genauer eingehen möchte, sowie eine Betrachtung von Ernst Haeckel als Wissenschaftler und Künstler in einem vom Evolutionsbiologen und Begründer der Humanethologie Irenäus Eibl-Eibesfeldt.
Selbstverständlich nimmt vor allem die Kunst Ernst Haeckels in “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ einen Großteil des Raumes ein. Die Illustrationen von Erst Haeckel, die ursprünglich auf Tafeln erschienen, werden im Buch in einer hervorragenden Druckqualität abgebildet, die jedes noch so feine Detail offenbaren. Neben Kleinlebewesen finden sich auch ein paar höhere Organismen, die von Insekten bis hin zu Reptilien und Säugetieren reichen. Auch diese Abbildungen sind hochinteressant und weisen einen eigenen Stil auf.
“Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ beinhaltet insgesamt 135 der Farbtafeln, die auch in Ernst Haeckels Publikationen “Atlas der Radiolarien“ (1862) und “Kunstformen der Natur“ (erschien in zehn Einzelbänden zwischen 1899 und 1904) enthalten sind.
Warum empfinden wir diese Tierchen als so schön?
Diese Minitierchen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind und sich vor uns verbergen, erscheinen für uns Menschen doch als wunderschön. Sie weisen uns bekannte geometrische Formen auf und folgen in Ihrem Aufbau den verschiedensten Mustern. Die Tiere scheinen in ihrem Aufbau einem gewissen Konzept oder Plan zu folgen und genau das ist es auch, was uns so begeistert, denn unser Gehirn und unser Auge finden natürliche Ordnung als ästhetisch. Wir sind sozusagen darauf programmiert auf bestimmtes Aussehen zu reagieren, ein bekanntes Beispiel ist das sog. Kindchenschema, bei dem Tiere und Menschen dazu angehalten werden, Jungtiere als besonders niedlich und beschützenswert anzusehen. Die Natur verleiht den Jungen dieses Kindchenschema, indem es den Kopf und die Augen im Vergleich zum Rest des Körpers groß erscheinen lässt und wir auf diese Schlüsselreize mit Wohlwollen reagieren. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Aussehen der Mikroorganismen, die Ernst Haeckel beschrieb, nur dass wir hier Regelmäßigkeiten und Ordnung wertschätzen, die unsere Sinnesorgane und das Zentralnervensystem als positiv empfinden. Das hat den Grund, dass unser Gehirn die Welt um uns herum vereinfacht darstellen und unsere Umgebung möglichst schnell in nützliche Informationen übersetzten muss. So ist es uns möglich blitzschnell Feinde, Hindernisse usw. zu erkennen und unsere Sinne suchen aktiv nach Regelmäßigkeiten, die wir auch zu sehen erwarten. Und die Tierchen, die Ernst Haeckel uns in seinen Werken nahe bringt, zeigen diese uns ansprechenden Reize sehr deutlich auf, so dass wir als Betrachter Radiolarien, Quallen, Schwämme usw. als optisch ansprechend und schön empfinden. Zudem wecken die fremden Formen und deren unbekanntes Zusammenspiel unsere Neugier. So bewerten wir ein organisch möglichst differenziertes Lebewesen, in dessen Erscheinungsform Ordnung und Symmetrie zu finden sind, als schöner und auch als “höher“ als Lebensformen, die uns als einfacher gebaut erscheinen. Dennoch stimmt diese Annahme nicht immer, aber so sind wir nun mal dank unserer Sinne und unserem Nervensystem programmiert.
Ernst Haeckels Bilder lösten aus diesem Grund Ende des 19. Jahrhunderts auch eine wahre Designwelle aus und die Formen und Muster der von ihm beschriebenen Tiere fanden Einzug in diverse Wohnzimmer. Auch dazu finden wir in “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ verschiedenen Beispiele, wie etwa das Eingangstor der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 von René Binet, das nach dem Vorbild der Radiolarien designt wurde. Neben der Darstellung der Werke selbst sind es auch die erläuternden Texte, die “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ zu einem durch und durch gelungenen Buch machen. Natürlich liegt es aber nicht im Bestreben der winzigen Tierchen uns zu gefallen, wir können sie ohne Hilfsmittel ja nicht mal sehen. Das Aussehen hat hier, wie bei anderen Lebewesen auch, evolutionsbiologische Gründe, die uns im Laufe der Jahrmillionen uns unserer Umwelt anpassen ließen und z.B. eine möglichst große/kleine Oberfläche, Resistenzen, Energieeinsparung oder diverse andere Entstehungsgründe aufzeigen. Diese Tatsachen, Theorien und Inhalte werden vom Autor Olaf Breidbach in “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ sehr ausführlich und verständlich beschrieben. Neben den Abbildungen der originalen Farbtafeln Haeckels finden sich auch noch Abbildungen von Fotos aus der Zeit seines Wirkens und von ausgearbeiteten Skizzen und Zeichnungen des Künstlers im Buch, die weiter Rückschlüsse auf den unglaublichen Arbeitsaufwand ziehen lassen, den Ernst Haeckel zur Erstellung seiner Bilder aufgewendet haben muss.
Das Buch
“Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ erscheint als umfangreiches, gebundenes Buch im Format H: 31,5 cm; B: 24,0 cm. Der Hardcover Band umfasst 336 Seiten und weist eine sehr gute Druck- und eine gute Papierqualität auf. Auf der Homepage von Random House, der Verlagsgruppe zu der auch der das Buch vertreibende Prestel Verlag gehört, findet ihr eine umfangreiche Lesevorschau zum Buch.
Fazit
Auch mit “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ bringt uns der Prestel Verlag ein ganz besonderes Buch, das für Künstler und Designer eine unendliche Fundgrube an Inspirationen darstellt. Aber auch als Sammlung von hoch anspruchsvollen Zeichenvorlagen, als Artbook zum Entspannen und Eintauchen oder als wertvolle Quelle für Naturforscher ist das umfangreiche Werk bestens geeignet. Darüber hinaus trumpft “Ernst Haeckel - Kunstformen der Natur - Kunstformen aus dem Meer“ mit interessanten Texten auf, die neben Informationen zu Ernst Haeckel und seinem wissenschaftlichen Wirken auch unsere Wahrnehmung auf seine Werke erklären.
Verlag/ Label: Prestel Verlag
Autor: Olaf Breidbach
Veröffentlichung: 26.03.2012
Seitenzahl: 336
ISBN: 978-3-7913-4660-1
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: http://www.randomhouse.de/Buch/Ernst-Haeckel/Olaf-Breidbach/e397057.rhd#buchInfo1
Webseite 2: Amazon
Copyright Artikelbild: Prestel Verlag, Ernst Haeckel
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8/10