AND ONE, WELLE:ERDBALL, !distain – S.T.O.P. Fulltimeshow

And One nennen ihre Konzerte nicht umsonst Fulltimeshow: Wenn die Berliner Band um Steve Naghavi auf Tour geht, wird sie meistens von einer ganzen Brigade voller hochkarätiger Szenekollegen begleitet. So durften sich auch die Besucher der S.T.O.P. Fulltimeshow 2012 nicht nur auf AND ONE, sondern auch auf WELLE:ERDBALL, MELOTRON und !DISTAIN freuen.

!distain

!distain eröffneten pünktlich um 18:45 den ausgiebigen Konzertabend mit ihrem flotten Synthie-Pop und abgesehen von der Tatsachen, dass es wirklich noch früh am Abend war und viele der Besucher sich noch in Ankunftshektig befangen und sich mehr an der Bar und der Garderobe aufhielten anstatt vor der Bühne, gelang es der dreiköpfigen Truppe aus Augsburg, den Teil des Publikums, dessen Aufmerksamkeit sie ungeteilt genossen, zu überzeugen. Angesteckt von der guten Laune und dem strahlenden Lächeln der Musiker, kam Bewegung ins Werk: Mehr und mehr Menschen begannen vor der Bühne zu den eingängigen Songs von !distain zu tanzen. Für besondere Abwechslung sorgte die Band, indem sich die drei Musiker immer wieder am Mikrofon abwechselten. So erlebte das Publikum drei verschiedene Charaktere mit jeweils spezieller Ausstrahlung, Performance und Stimme. Der lebhafte Sound der Band kam insgesamt gut an und war ein erfolgreicher Start in den Abend.

Melotron

 
Einen Bruch erlebte die heitere Atmosphäre dann zunächst mit Beginn des nächsten Konzertes von MELOTRON: Erst langsam und melancholisch, dann dramatisch und düstr erklang "Der Anfang" der Neubrandenburger von Melotron, während die Bühnenbeleuchtung die Musiker in schummriges Blau hüllte. Mit dieser finsteren Stimmung brachen Melotron jedoch nach wenigen Augenblicke, als die Band im dritten Song auf deutlich flotteren Synthiepop umstieg. Entsprechend stieg auch die Aktivität des Publikums wieder an, was der Band nicht entging, so scherzte Frontmann Andy Krüger: "Es sind immer zwei Songs, die wir brauchen, um warm zu werden. Sowohl ihr mit uns, als auch wir mit euch. Glaubt mir, wir denken uns am Anfang auch, was sind das denn für welche?!" Und tatsächlich ging nach dem zweiten Song eine richtige Party los, bei der erfreulicherweise auch das geniale "Menschenfresser" nicht fehlte. So trugen die synthielastigen Songs von Melotron nur Gutes zu diesem Abend bei und mit einer weisen Aufforderung verabschiedene sich Andy Krüger nach etwa 30 Minuten gut gelaunt von den Münchnern: "Genießt den Augenblick, er ist kurz!"

Welle: Erdball

Eine Woge der Begeisterung, als stünde bereits der Headliner auf der Bühne, ging durch das Publikum, als Support Nummer drei, die Showband WELLE:ERDBALL die Bühne betrat, deren Konzerte für aufwendige Inszenierungen bekannt sind. Vom Auftakt an boten Welle:Erdball eine spektakuläre Bühnenshow. Im ersten Song war nur das zierliche blonde Fräulein Plastique sichtbar, während die übrigen Musiker nur als Silhouetten  hinter weißen Vorhängen zu sehen waren, die erst zu Beginn des zweiten Songs fielen. Jedes Bandmitglied, bis auf Frontmann Honey, hatte seinen eigenen festen Platz auf der Bühne, der namentlich gekennzeichnet war. Die Band wusste mit mehreren Outfitwechseln und Showeinlagen, mit denen sie die Message ihrer Songs unterstrich, zu unterhalten. So verteilten sie Wunderkerzen (was dem Mann von der Security garnicht passte – dies wiederum war jedoch den Menschen in den ersten Reihen herzlich egal, die die Wunderkerzen eifrig nach hinten durchgaben), schossen mit riesigen Plastikgewehren ins Publikum und präsentierten Schilder, auf denen Aufforderungen wie “Konsumiere”, “Kaufe”, oder “Vermehre Dich” prangten. Das Publikum feierte die zahlreichen Clubhits der Band wie “Arbeit Adelt!”, “Ich Bin Aus Plastik” oder “Minimal + Monoton”, die sich allesamt, stets mit einem Augenzwinkern, um die Thematik des Menschen als Maschine und dem technischen Fortschritt als Bedrohung drehen. Die Begeisterung im Publikum ging sogar so weit, dass es nach Ablauf der ohnehin schon für einen Supportact recht langen Spielzeit noch eine Zugabe forderte, was bei Vorbands doch sehr selten ist.

And One

Um 22 Uhr war es dann auch endlich Zeit für AND ONE, die das Publikum nach Verstummen der Umbaumusik einige Minuten warten ließen, bis schließlich ungeduldige Rufe und Pfiffe Steve Naghavi und seine Band endlich auf die Bühne holten.

Verhältnismäßig verhalten präsentierte sich der sonst so lebhafte Frontmann auf der Bühne und die Stimmung vor der Bühne war gut, aber nicht überkochend, als And One eine gut gewählte Setlist aus den besten Stücken aus “S.T.O.P.”, alten Klassikern, bei denen insbesondere die härteren Songs wie “Steine Sind Steine” oder “Metalhammer” gut ankamen und eher seltenen Songs vergangener Alben, die man abseits der zum Album gehörenden Tour auf keiner Setliste mehr erwarten würde, wie “Enjoy The Unknown” und “Electrocution”, darboten.

Vielleicht war ein Grund dafür, dass die Stimmung im Publikum nicht richtig aufkochte, neben Steves Wortkargheit auch die hohe Anzahl an fremden Songs. Bereits während ihrer letztjährigen Tour hatte die Band angekündigt, 2012 eine mit “Cover For The Masses” betitelte Tour zu absolvieren, die zu 50 % aus eigenem Songmaterial und zu den anderen 50 % aus Depeche Mode Coversongs bestehen würde. Auf Grund zahlreicher Proteste seitens der Fans ließ die Band wieder von diesem Vorhaben ab, verlegte die Tour vom Frühjahr auf den Winter und begann, ihr Konzept zu überarbeiten. Eine nicht zu verachtende Anzahl an Coversongs blieb jedoch bestehen.

Letztendlich brach das Eis zwischen Band und Publikum aber doch noch: Im Chor begleiteten die Zuschauer den beliebten Song “Traumfrau”, und nach Abschluss des Liedes begann Steve auch endlich mit seinen typischen, langen Ansprachen, mit denen er seine Fans sonst zum Lachen bringt: Heute, so Steve, sei der schönste Tag seines Lebens, denn zum ersten Mal stünde er mit einem gebrochenen Zeh auf der Bühne. Nach der Schilderung des Unfalls (beim Packen für das München-Konzert sei er über das im Schlafzimmer stehende Trampolin (!) gestolpert), stimmte er ein vom Klavier begleitetes Akustik-Ständchen in Form von Depeche Modes “Shake The Disease” an und versuchte, das Mitleid des Publikums zu erregen, doch dieses machte sich nur über ihn lustig. Passend zum Song hielt er eine kleine Lobrede auf seine Helden von Depeche Mode und nach einigen weiteren Blödeleien und “But Not Tonight” schloss Steve das reguläre Set des Konzertes mit “Speicherbar”, dem obligatorischen Auszug aus dem beliebtesten And One Album “Aggressor”, ab: Die Behauptung, es sei der letzte Song des Abends, äußerte er mit einem schelmischen Grinsen und einem hinterher geworfenen “Ich bin verpflichtet, das zu sagen!”

Selbstverständlich war es nicht der letzte Song und And One ließen ihr Publikum nur deswegen recht lange warten, weil sie sich umziehen mussten: In hellblauen Polizeiuniformen kehrten sie mit ihrer letzten Single “Killing The Mercy” zurück und hielten sich so ganz an den Stil des zum Song gehörenden Videos. Noch ungefähr 45 Minuten lang setzten And One ihr Konzert fort, und nach “Military Fashion Show” wandte sich Steve, diesmal im Dialog mit seinem Schlagzeuger Joke, erneut ausgiebig an das Publikum. Die Bühnenpräsenz des Letzteren war ohnehin erfreulich rege, “Metalhammer” hatten die beiden Musiker im Duett gesungen und für den Song “High” hatte Steve sogar ganz das Mirko an seinen Kollegen abgegeben. Steve spielte eine wehleidige Zicke (Er sei fett geworden und hätte sich seine Hose umnähen lassen, aber solche Probleme fallen ihm erst mit gebrochenem Zeh auf, weil er dann ohnehin schon so empfindlich ist), während Joke das Publikum dazu anregte, den Frontmann zu verspotten: “Hey Steve, hast du eigentlich schon erwähnt, dass dein Zeh gebrochen ist?!”

Nach dem alten And One – Klassiker von 1998, “Get You Closer” und einem Cover des Welthits “The Sun Always Shines On TV” von A-HA begann Steve allmählich das obligatorische Ende des Konzertes einzuleiten. Allmählich ist ein Wort, das an dieser Stelle wunderbar passt, denn die Piano-Version von “So Klingt Liebe”, das phänomenale und stets als Höhepunkt gefeierte “Für” und die erneut nur von einem Klavier begleiteten Quatsch-Lieder “Klaus”  und  “Pimmelmann” waren allesamt, durch viele von Steve und Joke eingeworfene Blödeleien und Interaktionen mit einzelnen Zuschauern, “very extended versions” der jeweiligen Songs.

Kurz vor halb eins verabschiedeten sich And One dann aber endgültig. Die Spannung auf “And One 2013″ schürte Steve an, doch ob die Abschiedstour und der Plan, die Band im nächsten Jahr aufzulösen, ernst gemeint ist oder ob all das nur aus einer Stimmungsschwankung des zickigen Diva-Steves, der sich manchmal offenbart, entstanden ist, dazu gab der Sänger keine Auskunft – man wird sehen, was kommt. Im ersten Konzertabschnitt hätte man tatsächlich meinen können, Steve sei ausgelaugt und habe keine Lust mehr, doch nach Traumfrau hat sich der Charakter des Konzertes stark verändert und zeigte die Band wieder so, wie das Publikum sie kennt und liebt: Humorvoll, spielfreudig, publikumsnah und voll von sympathischer Arroganz. Hier kamen beim Betrachten Zweifel darüber auf, ob Steve selber es übers Herz bringt, der Bühne den Rücken zuzukehren.

Setlist And One

Shouts Of Joy
Zerstörer
Back Home
Enjoy The Unknown
S.T.O.P. The Sun
Technoman
Steine Sind Steine
Paddy Is My DJ
High
Metalhammer
The Walk
Ice
Mirror In Your Heart
Electrocution
Deutschmaschine
Seven
Traumfrau
Shake The Disease
But Not Tonight
Speicherbar

— Umziehpause —

Killing The Mercy
Wasted/Personal Jesus
Military Fashion Show
The Sun Always Shines On TV
Get You Closer
So Klingt Liebe
Für
Klaus
Pimmelmann

Setlist Welle:Erdball

Liebe der 3. Art
Wir Wollen Keine Menschen Sein
Mensch Aus Glas (C=64)
Arbeit Adelt!
Ich Bin Aus Plastik
Computerklang
Der Telegraph
Starfighter F-104G
Alles Lüge
Deine Augen
VW Käfer
23
Lass Uns Ein Computer Sein
Monoton + Minimal
Es Geht Voran

Elektrosmog

Setlist Melotron

Der Anfang
Stuck In The Mirror
Gib Mir Alles
Menschenfresser
Love Is Calling
Brüder

Setlist !distain

Mein Weg
Why (Bootlicking Hypocrites)
Monokultur
Tears Of Joy
Confession
Mandragore

Datum: 07.12.2012
Veranstaltungsort: München, Backstage Werk
Ticketpreis: 40 Euro (Abendkasse)
Webseite: http://www.andone.de
Webseite 2: http://www.facebook.com/ANDONEoffiziell
Webseite 3: https://www.welle-erdball.info/
Webseite 4: https://www.facebook.com/Melotron.offiziell/
Webseite 5: https://www.facebook.com/distainofficial/
Copyright Coverbild: And One

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