RUCKA & LARK & ARCAS – Lazarus: Band 1 – Die Macht der Familien

Ein Prozent der Menschen haben mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als die gesamten übrigen 99% der Weltbevölkerung. Und anstatt einer besseren Verteilung der weltweiten Ressourcen wird das Ganze noch extremer und die Situation wird sich so schnell auch nicht ändern. Kein Wunder also, dass in zahlreichen Zukunfts-Dystopien die Herrschaft über die Menschheit lediglich von wenigen Megakonzernen geleitet wird und so etwas wie eine demokratische Regierung längst passé ist. Ganz ähnlich verhält es sich in der Science-Fiction/Cyberpunk Comicreihe “Lazarus“, in der die Herrschaft über den Planeten Erde wenige mächtige Familien teilen, die ihrerseits an der Spitze von unzähligen Untergebenen stehen, die froh sein können als Sklaven dienen zu dürfen, denn der Großteil der Menschheit wird lediglich als wertloser Dreck bezeichnet und demensprechend auch behandelt. Ein weiteres Element von Science-Fiction- und Cyberpunk-Stories ist eine fortschrittliche Technologie, die gerade im Cyberpunk-Bereich Teil der gesellschaftlichen Probleme darstellt. Auch in “Lazarus“ finden wir eine derartige Technologie vor, die es in diesem Fall den Menschen sogar ermöglicht den Tod zu besiegen:

Handlung (mild Spoiler)

In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft haben einige wenige, ultramächtige Familienclans die Herrschaft über die Erde unter sich aufgeteilt. Bei diesen Machthabern konzentrieren sich alle Ressourcen des Planeten und nur wer ihnen aufs unterwürfigste dient hat eine Chance auf ein Leben als Sklave. Die meisten Menschen werden jedoch lediglich als Abfall angesehen (und auch nur mit diesem Begriff bezeichnet) und bei Kontakt vernichtet. Auch die gesellschaftsverändernden Technologien stehen lediglich den reichen und mächtigen zur Verfügung, die damit sogar den Tod in Schach halten können. Dank sog. iPS-Zellen, also Zellen, die sich wie Stammzellen verhalten können, werden auserwählten Menschen übermenschliche Regenerationskräfte und ein deutlich erhöhtes Lebensalter verliehen. Eine dieser aufgerüsteten Menschen ist Forever aus der Familie Carlyle (deren Familienmotto „Oderint dum metuant“* („Sollen sie mich hassen, solange sie mich nur fürchten“) praktisch Bände spricht), die dem Tod schon mehrfach ins Auge geblickt hat und selbst die schwersten Verletzungen ohne dauerhaften Schaden überstand. Als Elitesoldatin und “Frau fürs Grobe“ führt Forever selbst die schwierigsten Missionen aus, die vor allem das Ziel haben anderen Familien zu schaden, denn diese befinden sich fast alle mit- und gegeneinander im Krieg. Als jedoch ein Teil der Familie Carlyle den Patriarchen der Familie stürzt und selbst die Oberherrschaft übernehmen will, gerät Forever ins Fadenkreuz der eigenen Familie und stößt in Folge der Ereignisse auch über einen abscheulichen Hinweis über ihre eigene Herkunft…

* Der Ausspruch „Oderint dum metuant“ stammt vom römischen Dichter Lucius Accius, wurde jedoch erst so richtig bekannt als dieser vom begnadeten Redner Cicero und dem bestialischen Kaiser Caligula des Öfteren benutzt wurde.

Und DSA-Spieler kennen vermutlich alle den Al’Anfanischen Charakter Oderin du Metuant, wobei für diesen folgendes gilt: „Nomen est omen“. Das war’s aber jetzt auch wieder mit der Lateinstunde. 🙂

Selbst gravierende Verletzungen kann Forever wieder heilen…

Selbst gravierende Verletzungen kann Forever wieder heilen…

Cyberpunk

Neben vielen anderen Technologien und gesellschaftlichen Umbrüchen stehen vor allem die enormen regenerativen Fähigkeiten und das erhöhte Alter, die durch den Einsatz von iPS-Zellen ermöglicht werden, im Vordergrund. Diese iPS-Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen; diese existieren wirklich und wurden 2006 in Japan erstmals künstlich erzeugt. Tatsächlich sagt man der Forschung in diesem Bereich enormes Potential voraus) sind sozusagen künstlich erzeugte Stammzellen, wobei hier normale Zellen in Stammzellen umgewandelt werden. Da diese fortschrittliche Biotechnologie nur den äußerst privilegierten zusteht und auch die Macht auf nur wenige Menschen konzentriert ist, zeigen sich auf der Erde komplett andere gesellschaftliche Verhältnisse, die aber durchaus realistisch sind, wenn man die Geschichte, auch ganz aktuelle Entwicklungen, verfolgt. Zukünftige Technologien, die im Zentrum von gesellschaftlichem Umschwung und sozialen Problemen, die ganze Massen betreffen, stehen, sind das Grundelement des Cyberpunks. Die mehrbändige Comicreihe “Lazarus“ ist also ein absolut klassischer Cyberpunk. Der Begriff Lazarus selbst stammt aus der Bibel und bezeichnet einen Mann, der von Jesus Christus wieder zum Leben erweckt wurde. Im Comic werden Menschen, die Verletzungen, die normalerweise tödlich wären, wieder selbstständig heilen können, als Lazarus bezeichnet.

Trotz der Darstellung einer richtig stimmigen Welt fehlt es “Lazarus“ an eigenen Ideen. Lediglich die biotechnologische Lösung für die Unsterblichkeit, die dem Berater der Autoren, Warren Ellis, zuzuschreiben ist, stellt eine eigene Idee dar, viele andere Elemente und Designs wirken wie direkt aus anderen Cyberpunk und Science-Fiction Werken entnommen. An diversen Stellen erinnert “Lazarus“ nämlich an Werke wie “Blade Runner“ (1982), “Terminator“ (1984) und “Robocop“ (1987) und beweist insgesamt leider zu wenig Eigenständigkeit.

Zeichnungen

Die Zeichner Michael Lark und Brian Level schaffen mit “Lazarus“ eine düstere Zukunftsvision, die sie auch in den Zeichnungen mit dem gelungenen Einsatz von viel Tusche weiter unterstreichen. Auch die Kolorierung von Santi Arcas summt hier die gleiche Melodie. Die Bilder sind sehr detailreich und auch beim Charakterdesign zeigt sich durchaus Talent. Einziges Manko ist die Verwendung vereinzelter bekannter Designelemente aus anderen Veröffentlichungen, wie etwa der Rüstung der Soldaten.

…doch nach jedem Einsatz stehen bei Forever erstmal diverse Untersuchungen und Sicherheitschecks auf dem Programm.

…doch nach jedem Einsatz stehen bei Forever erstmal diverse Untersuchungen und Sicherheitschecks auf dem Programm.

Veröffentlichung

“Lazarus: Band 1 - Die Macht der Familien“ erscheint als hochwertiger Hardcover Comicband im Format Höhe: 28,3 cm und Breite: 20,2 cm mit 120 Seiten Umfang. Die Druckqualität ist gut, die des verwendeten Papieres sogar sehr gut. Im umfangreichen und auch gut gelungenen Anhang befindet sich eine Kurzgeschichte aus dem “Lazarus“-Universum, die ursprünglich im Diamond Comics Preview Katalog als Auftakt zur Reihe erschienen ist.  Zudem befinden sich dort Galerien mit Artworks mitsamt Begleittexten. Die Reihe umfasst beim Splitter Verlag aktuell drei Bände. Die Reihe ist noch nicht beendet und wird auch im Ursprungsland USA weiterhin fortgesetzt.

Fazit

Graphisch opulenter Comic, der uns eine stimmige Cyberpunk Welt präsentiert. Leider bedient sich der Autor Greg Rucka diverser Elemente aus vielen bereits allzu bekannten ähnlichen Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Medien, die ebenfalls Geschichten aus Cyberpunk-Universen zum Thema haben. Wer sich daran aber nicht stört, kann mit “Lazarus“ einen atmosphärischen Comic mit einer starken Heldin genießen.

Verlag/ Label: Splitter Verlag
Autor: Greg Rucka
Veröffentlichung: 00.01.2016
Seitenzahl: 120
ISBN: 978-3-95839-218-2
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: http://www.splitter-verlag.eu/lazarus-bd-1.html
Webseite 2: Amazon
Copyright Artikelbild: Splitter Verlag GmbH & Co. KG
Copyright andere Bilder: Splitter Verlag GmbH & Co. KG

  • 7/10
    Handlung - 7/10
  • 8/10
    Intensität und Atmosphäre - 8/10
  • 8/10
    Graphische Ausarbeitung - 8/10
  • 7/10
    Charaktere - 7/10
  • 6/10
    Innovation - 6/10
  • 10/10
    Druckqualität und Haptik - 10/10
7.7/10

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben