AMERICAN GROTESQUE: The Life and Art of William Mortensen

Die schaurigen Tage vor Halloween nahm ich dieses Jahr auch als Gelegenheit war um mich mit den Themen Kunst, Tod und Erotik auseinanderzusetzen. Dabei meine ich aber nicht die Betrachtung der Themen im Einzelnen, sondern die gewagte Kombination aus den dreien. Wir versuchen ein wenig den Fragen näherzukommen, die sich den Menschen schon sehr lange stellen und auch dieses Mal kann ich Euch keine klare Antwort darauf geben, aber immerhin mehrere mögliche Erklärungsansätze. Warum fühlen sich Menschen von eigentlich abscheulichen Dingen angezogen und warum faszinieren uns Kombinationen aus Sexualität und Gewalt? Zunächst einmal interessieren diese Themen die meisten oder sogar alle Menschen, der Großteil würde es nur nie zugeben und verleugnet es mit Sicherheit auch vor sich selbst.

Es gibt schon lange ganze Stilrichtungen, die sich ausschließlich mit diesen Inhalten beschäftigen, eine der prominentesten davon ist die Kunstrichtung der Schwarzen Romantik, derer sich viele große Maler verschrieben haben. Aber das Groteske in der Kunst abzubilden und sich daran zu erfreuen ist weitaus älter und - wie archäologische Funde belegen - schon zu Zeiten Kaiser Neros in Rom zu finden gewesen. Vermutlich ist die künstlerische Auseinandersetzung mit allem was uns Angst macht und dabei doch so sehr erregt noch weitaus älter und vielleicht sogar so alt wie die Kultur selbst.

Im Werk, das ich euch heute als mein angekündigtes Horror-Highlight an Halloween vorstellen möchte, geht es genau um diese Themen und dabei betrachten wir die Werke eines der frühen Großmeister des Dunklen in der Kunst. Das Buch “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen“ entführt uns nämlich an der Hand des Künstlers und Photographen William Mortensen in eine Welt des Alptraums, die wie so oft im Leben auch erst mit Sex ihre Vollendung findet:

Inhalt

Das Buch “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen“ erzählt uns auf anschauliche Weise von der nahezu vergessenen Legende William Mortensen (1897-1965), welcher nicht nur eine sehr charismatische Person war, sondern auch in vielen Kunstbereichen Maßstäbe setzte. Vor allem aber in der Photographie, die Mortensen dank vieler von ihm erdachter Techniken in eine Leinwand für die dunklen, erotischen und grotesken Künste verwandelte, war er ein wahres Genie und beeinflusste damit in seiner Heimat nahe Hollywood auch die Filmindustrie. Er schrieb neun Bücher zum Thema Photographie (unten denen “Monsters And Madonnas“ aus dem Jahr 1936 als sein Magnum Opus gilt) in denen er seine vielseitigen Techniken beschreibt, mit denen er aus Fotos wahre Kunstwerke zauberte und das lange, lange vor Photoshop. Mortensen, der aufgrund seiner Vorliebe für das Dunkle von Kollegen auch als “ anti-Christ“ oder “ The Devil“ bezeichnet wurde, besaß aber auch ein Gespür für die Themen rund um die Photographie, wie etwa der Herstellung einer stimmungsvollen Szenerie, und lies zahlreiche Einflüsse aus einen Reisen in seine Werke mit einfließen.

Neben erotischen Aktfotographien, bei denen er auch zahlreiche Hollywood-Schönheiten ablichtete, ist es vor allem seine Faszination für das Groteske, die Mortensens Arbeit zeigt. Neben grausigen, ungeschönten Schreckensszenarien, die z.B. das Elend des 2. Weltkriegs zum Thema haben, ist auch immer die groteske Verbindung aus Schönheit, meist in Form von nackten Frauen, und dem Abscheulichen, das z.B. in Form von Folter über diese hereinbricht, Inhalt seiner Werke. Mittelalterliche Mönche, die sich an der unbarmherzigen Hinrichtung von Hexen ergötzen, dämonische Kreaturen, die Frauen heimsuchen oder auch Schönheiten, die teilweise von grausamen Verstümmelungen oder Missbildungen entstellt worden- Mortensen‘s Repertoire des Grauens ist wahrlich gewaltig.

Was William Mortensen aber auch wie kein zweiter beherrschte ist es seinen Bildern eine unfassbar intensive Atmosphäre zu verleihen, die den Betrachter vollkommen von sich einnimmt und nicht mehr loslässt. Gerade bei Werken wie “Untiteled (Human Relations Study 2)“, auf dem sich ein Mann seine Faust mit voller Wucht ins eigene Gesicht rammt, oder auch “The Quest For Pure Form“, auf dem Mortensen selbst zu sehen ist, wie er absolut gebannt auf ein kleines Partikel starrt, lassen sich seine Fähigkeiten deutlich erkennen.

Erläutert werden diese Hintergrunde zu William Mortensens Leben und seinen Werken sowie deren Einflüsse in ausgiebigen Texten der Autoren Larry Lytle und Michael Moynihan. Zusätzlich finden wir in “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen“ ergänzende Aufsätze von Larry Lytle, A. D. Coleman sowie von William Mortensen selbst.

“American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen” gliedert sich dabei in mehrere Kapitel, beginnend mit einer Einleitung von Michael Moynihan. Anschließend beleuchtet Larry Lytle ausgiebig das Leben des außergewöhnlichen Photographen und Künstlers. In “Venus Und Vulcan: An Essay On Creative Pictorialism“ von William Mortensen und George Dunham tauchen wir tief in Mortensens Arbeitsweise ein. In “A Glossary Of Mortensen’s Methods“ beleuchtet der Autor Larry Lytle Mortensens zahlreiche Techniken der Fotobearbeitung, bevor es in “A Mortensen Gallery Of Grotesques“ die Werke des dunklen Großmeisters selbst (im Großformat) zu bestaunen gilt. In einem abschließenden Text von A.D. Coleman geht schließlich um das Verschwinden von Mortensens Fotos aus der Kunstwelt, die bewusst von seinen Genrekollegen vorangetrieben wurde, da seine Werke als zu extrem angesehen wurden. Doch die Werke des Großmeisters, ohne den die Geschichte der Photographie auf keinen Fall vollständig erzählt werden könnte, überdauerten zum Glück bis heute und finden sich nun nach langer Abstinenz in diesem gelungenen Werk wieder.

Die Photographien

William Mortensen hat im Laufe seiner Karriere als Kunstphotograph diverse Techniken erfunden, um aus der bloßen Photographie ein wahres Kunstwerk zu zaubern. Er konnte z.B. seine Fotos nach der Bearbeitung wie Bleistiftzeichnungen aussehen lassen, etwas was ich zuvor noch nie gesehen habe. Leider gingen auch viele der Techniken Mortensens im Laufe der Jahre unwiederbringlich verloren. Seine Werke zählen zur photographischen Stilrichtung des Pictorialismus, der Ende des 19. Jahrhunderts bis in die frühen 1920er Jahre seinen Höhepunkt feierte. Ziel des Pictorialismus war es auf den Fotos neben dem bloßen Abbild des Fotografiertem auch den Gemütszustand mit einzufangen. Mortensen‘s Werke erreichen dies sogar in einer fast beispielslosen Art und Weise.

Von den Techniken Mortensens, die man im Nachhinein analysieren konnte, wird z.B. berichtet, dass der Künstler das von Richard Leach Maddox und Charles Harper Bennett kreierte Trockene Gelatineverfahren benutze um Fotos zu schießen zu können, die deutlich kürzere Belichtungszeiten benötigten, was wiederum echte Momentaufnahmen ermöglichte. Andere Techniken, die Mortensen verwendete, waren der “Abrasion-Tone Process“ und der “Two-Color Pigment Process“, die beide von ihm selbst stammen (all diese Verfahren waren erst seit der Erfindung der Trockenplatte in den 1880er Jahren möglich, mit der fortan die Bilder nicht mehr sofort entwickelt werden mussten, was den Photographen überhaupt erst die Möglichkeit zum Experimentieren gab). Weitere Infos zu diesen und vielen anderen Techniken, die William Mortensen verwendete, findet ihr im entsprechenden Kapitel von “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen”.

Nun, warum geht also gerade von grotesken Bildern eine derartige Faszination aus? Darauf gibt es sehr viele Antworten und keine ist davon 100%ig befriedigend. Wir Menschen streben danach unseren Vorstellungen - und seien sie noch so dunkel - eine Gestalt zu geben und das Ungreifbare Fleisch werden zu lassen. Wir suchen den Thrill durch Angst, vielleicht auch weil der Alltag nicht mehr die Gefahren birgt, die der Mensch eigentlich bewältigen kann. Die groteske Verstümmelung des Schönen geht da noch einen Schritt weiter, doch auch diesem Pfad haben sich die Menschen schon lange verschrieben. Doch, wie sieht das Ganze aus, wenn der Horror nicht wie auf Fotos oder in Filmen künstlich erstellt wurde, sondern wir echte Tote vor uns haben? Und wenn damit auch noch Kunst entsteht? Ihr merkt schon, es geht immer einen Schritt weiter und in wenigen Tagen werden wir uns auch diesem hochinteressanten Thema widmen.

Veröffentlichung

“American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen” erscheint als wuchtiges Hardcover Buch im Großformat (Höhe: ca. 30,5 cm; Breite: ca. 22,4 cm; Dicke: ca. 2,5 cm). Die 300 Seiten des Werkes weisen eine sehr gute Druck- und Papierqualität auf. Das Buch ist in Englischer Sprache verfasst worden. “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen” enthält Abbildungen von über 100 von Mortensen‘s Werken, viele davon werden zum ersten Mal in diesem Buch veröffentlicht.

“American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen” erscheint beim Publisher Feral House mit Sitz in den USA, alternativ könnt ihr das Buch z.B. auch bei Amazon Deutschland erwerben.

Eine gelungene Buchvorschau findet ihr auf der Produktseite von Feral House, sowie im folgenden offiziellen Buchtrailer:

William Mortensen: American Grotesque and The Command To Look

Fazit

Ein wahrer Geheimtipp und Schatz für Freunde der dunklen Künste! Darüber hinaus ist das in “American Grotesque: The Life And Art Of William Mortensen” enthaltene Archiv von Mortensen's Werken eine wertvolle kunsthistorische Sammlung, wobei man beim Betrachten der Werke des außergewöhnlichen Photographen auch sofort erkennt, wie sehr dieser die Medienlandschaft bis heute beeinflusst.

Verlag/ Label: Feral House
Autor: Larry Lytle, Michael Moynihan
Veröffentlichung: 25.11.2014
Seitenzahl: 300
ISBN: 978-1-936239-97-9 
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: http://feralhouse.com/american-grotesque/
Webseite 2: Amazon
Webseite 3: http://whmortensen.com
Copyright Artikelbild: Feral House

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