The Illustrated Hávamál

Das Cover des Buches, welches ich euch heute gerne vorstellen möchte, könnte genauso gut unser “Raben Report“-Logo sein. 🙂 Und das hat auch seinen Grund. Beide Motive stellen nämlich die mythischen Raben Hugin und Munin dar, die dem Göttervater Odin in der nordischen Mythologie Neuigkeiten aus den verschiedenen Welten ins Ohr flüstern. Im vorliegenden Fall zieren die beiden Raben ein Werk, das zu den wichtigsten Schriften der nordisch-germanischen Mythologie zählt, dem sog. Hávamál. Der Künstler Sam Flegal, den ich aus seiner YouTube-Sendung “One Fantastic Week“, die er zusammen mit dem Künstler Pete Mohrbacher moderiert (eine tolle Sendung, in der sie verschiedene moderne Künstler/Illustratoren/Graphik Designer vorstellen und auch über andere Themen rund um die Kunst sprechen), kenne, widmete sich dem Hávamál auf künstlerischer Ebene und illustrierte das altehrwürdige Werk. Widmen wir uns also zunächst dem Hávamál selbst, bevor wir Sam Flegals künstlerischen Beitrag dazu sowie die Aufmachung des gesamten bei Kickstarter finanzierten Buches unter die Lupe nehmen:

Was ist das Hávamál?

Das Hávamál ist ein Teilbereich der Edda, genauer genommen der sog. Lieder-Edda, und stellt ein Gedicht aus 164 Strophen dar. Das Hávamál ist neben der Völuspá Teil des Codex regius (bedeutende altnordische Schriftensammlung aus dem 13. Jahrhundert). Hávamál bedeutet übersetzt „die Sprüche des Hohen“ und meint damit, dass in diesem Text Anweisungen des Göttervaters Odin, welcher der höchste Gott im Pantheon der nordischen Götter ist, an die Menschen niedergeschrieben sind. Odin gibt den Menschen im Hávamál verschiedene Lebensweisheiten und Leitlinien sowie Verhaltensregeln zu einem glücklichen Leben mit auf den Weg. Der Inhalt und die Botschaft des Textes werden in der gesamten Weltliteratur als sehr hochwertig und vorbildlich angesehen, denn Odin lehrt den Menschen im Hávamál vor allem Respekt im Umgang miteinander und gegenüber Natur und Umwelt, welcher sich daraufhin wiederum positiv auf den Menschen selbst auswirken wird. Eine absolut zeitlose Botschaft also, die besonders in unserer heutigen Zeit nicht oft genug wiederholt werden kann.

Weitere Strophen des Hávamál künden von anderen Geschichten, meist mit Odin in einer zentralen Rolle. Wo das Hávamál beginnt und wo es endet, welcher Part wo anfängt aus wie vielen Teilen das Hávamál besteht, ändert sich je nach interpretierendem Geist. Das gilt auch für den genauen Inhalt, von dem oft spekuliert wird, dass manche Teile der christlichen Verunglimpfung zum Opfer fielen. Sicher ist jedoch, dass das Hávamál als Teil des Codex regius als eine der bedeutendsten Schriftensammlungen der nordischen Literatur gilt.

Inhalt

Im Buch “The Illustrated Hávamál“, welches auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter sehr erfolgreich finanziert wurde, finden wir die gesamten Strophen des nordischen Hávamáls. Für die Erstellung des Buches zeigen sich in erster Linie der Künstler Sam Flegal und Loraine Posadas Flegal (Design des Buches) verantwortlich. Bei der Übersetzung der alten nordischen Texte entschied man sich für die Arbeiten von Henry Adam Bellows aus dem Jahr 1923.

Nach einem Vorwort von Sam Flegal und einem kurzen erläuternden Text von Henry Adam Bellows zur Geschichte und dem Inhalt des Hávamál finden wir im Buch alle Strophen des nordischen Textes niedergeschrieben. Dabei finden wir stets neben der englischen Übersetzung (mit Anmerkungen zum Originaltext) auch die ursprünglichen nordischen Texte.

Das Hávamál lässt sich wiederum in verschiedene Teilbereiche aufteilen, die neben Odins Ratschläge an die Menschen auch verschiedenen Geschichten rund um den Göttervater enthalten. Unter dem Titel “The Wisdom Of The High One“ finden wir die ersten 79 Strophen des Hávamál vereint. Die Strophen 80-95 bilden das anschließende Kapitel “Sayings On Love“, 96-102 “The Story Of Odin And Billings Daughter“, 103-110 “Odin And The Mead Of Song“, 111-138 “Loddfafnir’s Song”, 139-146 “Odin’s Tale Of The Runes” sowie 147-165 “A List Of Charms”.

Im Folgenden findet ihr die 15. Strophe des Hávamál, damit ihr einen Eindruck vom Werk selbst bekommt:

The son of a king ǀ shall be silent and wise,

And bold in battle as well;

Bravely and gladly ǀ a man shall go,

Till the day of his death is come.

Zeichnungen

Die Textstrophen auf der einen sowie Sam Flegals Zeichnungen auf der anderen bilden in “The Illustrated Hávamál“ jeweils eine Doppelseite.

In “The Illustrated Hávamál“ wird der nordische Text des Hávamál mitsamt der englischen Übersetzung sowie den Illustrationen von Sam Flegal präsentiert. Dabei werden meist Doppelseiten benutzt, die auf der einen Seite den Text und auf der anderen Sam Flegals Bilder zeigen.

Insgesamt finden wir im Buch also 40 Bilder Sam Flegals, die er passend zu den jeweiligen Textinhalten anfertigte. Dabei verwendet Flegal einen sehr abstrakten, flüssigen Stil, der verschiedenen nordisch inspirierte Figuren und Szenen zeigt. Dabei kann ich jedoch nicht immer einen Zusammenhang zwischen Text und Zeichnung erkennen, was aber durchaus auch an den teilweise schwer deutbaren Inhalten des Hávamál liegen kann. Leider vermisse ich bei Flegals Tuschezeichnungen in Schwarz mit Grautönen Intensität und Aussagekraft. Flegal scheitert hier am Versuch den oft schön umgesetzten groben Darstellungsstil bei Bildern mit nordischen Motiven, wie ich sie z.B. vom Künstler Johannes Grützke aus dem Buch “Die Wilden Götter“ (übrigens ein echt gutes Buch!) von Tor Åge Bringsvæard kenne, selbst in einer eigenen Form zu interpretieren. Johannes Grützkes Werke sind künstlerisch zwar zum Teil extrem primitiv, in ihrer Intensität aber gewaltig und genau diese Wirkung fehlt Sam Flegals Werken in seinem Buch “The Illustrated Hávamál“ leider weitestgehend. Neben der gescheiterten Vermittlung von Gefühl ist es mit Flegals Kunstfertigkeit aber auch nicht unbedingt weit hergeholt, denn bis auf einige kreative Ansätze kann ich in seinem gesamten Portfolio kein wirklich gelungenes Werk finden.

Auch wenn die meisten von Sam Flegals Bilder zum Hávamál bzw. zur nordischen Mythologie im Allgemeinen nicht sonderlich beeindruckend sind, gibt es in “The Illustrated Hávamál“ dennoch ein paar Ausnahmen, wie dieses Werk, das mehrere Inhalte ins sich vereint. Z.B. lässt sich hier die anstehende Bedrohung des Göttervaters Odin durch den Fenriswolf erkennen, sowie seine Frau Frigg im Hintergrund, die von dieser dunklen Zukunft ihres Gatten weiß, aber nichts dagegen unternehmen kann.

Veröffentlichung

“The Illustrated Hávamál“ erscheint als Hardcover Buch (Format: Höhe: ca. 31,3 cm; Breite: ca. 23,7 cm). Der rote Stoffeinband wurde mit einem schönen goldenen Prägedruck veredelt. Druck- und Papierqualität der 104 Seiten des Werkes sind sehr gut, genauso wie die generelle Aufmachung. Einzig der leicht sterile, saubere Look mit den vorherrschenden Farben Weiß, Rot und Schwarz finde ich nicht immer passend, denn hier hätte ich mir etwas Dunkleres gewünscht. Auch der Einsatz erdigerer Farben, wie unterschiedliche Grün- und Brauntöne, hätte ich selbst bei der Gestaltung des Hávamáls benutzt. Neben den original nordischen Texten des Hávamál finden wir im Buch auch immer die englische Übersetzung von Henry Adam Bellows aus dem Jahr 1923. Sämtliche anderen Texte des Werkes sind ebenfalls auf Englisch.

Neben der Standardausgabe ist auf der Homepage “Fateful Signs“ vom Künstler Sam Flegal (mit Sitz in den USA) auch eine auf 100 Stück streng limitierte Collector`s Edition des “The Illustrated Hávamál“ erhältlich. Diese enthält neben dem signierten Hauptwerk auch noch ein Originalwerk Sam Flegals, zwei Kunstdrucke und das Artbook “Fateful Signs: Drawings, The Hávamál Process, Volume 2“. Alle Inhalte befinden sich zudem in einer hochwertigen Verpackung. Um diese Collector‘s Edition zu erhalten solltet ihr euch aber sputen, denn hier sind schon fast alle Exemplare weg.

Fazit

Über den Inhalt des Hávamál brauchen wir nicht diskutieren, denn hierbei handelt es sich um einen zwar etwas schwer zugänglichen, dennoch schönen Text. Und so wird es zu einer Geschmacksfrage, ob man Sam Flegals künstlerischen Beitrag zu den altehrwürdigen Texten nun mag oder nicht. Ich für meinen Teil kann in der ungenauen Darstellungsweise, die oft so gar nicht zum Text passen will, nicht viel anfangen, andere werden womöglich aber erst durch diese einen Zugang zu den alten Strophen erhalten. Auch bei der generellen Buchgestaltung kommen mir nicht Zweifel an der Qualität, sondern an dem etwas unpassenden Gesamteindruck. Und so ist diese Wertung ganz besonders subjektiv anzusehen.

Und hier findet ihr noch ein Video,  in dem wir Sam Flegal bei der Arbeit zu einem der Werke aus “The Illustrated Hávamál“ über die Schulter gucken können:

The Illustrated Hávamál - Inking Process - Part 1

Verlag/ Label: Fateful Signs
Autor: Sam Flegal
Veröffentlichung: 00.12.2016
Seitenzahl: 104
ISBN: N/A
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: http://www.fatefulsigns.com/store/the-illustrated-hvaml
Webseite 2: http://www.fatefulsigns.com/store/the-illustrated-hvaml-collectors-edition
Webseite 3: https://www.kickstarter.com/projects/samflegal/fateful-signs-the-illustrated-havamal
Copyright Artikelbild: Sam Flegal
Copyright andere Bilder: Sam Flegal

  • 7/10
    Gesamtwertung - 7/10
7/10

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben