Urban Exploration beschreibt die Erforschung verfallener Orte (sog. Lost Places) innerhalb unserer Städte, die von einer ganz eigenen Stimmung, ja regelrecht einer Form von Magie umgeben sind, die einerseits anzieht, gleichzeitig aber auch abstößt. Nicht jeder von uns versteht die Faszination, die von einem dreckigen, verfallenen Haus ausgeht, in dem seit Jahrzehnten nur noch Spinnen wohnen, doch der Anblick dieses Verfalls lässt uns sogar über unser vergängliches Leben und die Existenz an sich nachdenken. Alles hat nun mal sein Ende.
Marcus Rietzsch, der auch der Herausgeber des “Pfingstgeflüster“ ist, widmete nach
“…Wenn wir nie Träumten“ diesem Thema mit dem Bildband “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ nun schon das zweite Werk und erläutert darin anhand seiner Photographien, die erneut von Zitaten bekannter Schriftsteller begleitet werden, die Faszination des Verfalls:
Inhalt
In “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ begibt sich der Autor Marcus Rietzsch auf eine Erkundungstour in die vergessenen Stätten des faszinierenden Verfalls. Vermutlich entstand ein Teil der Photographien des Werkes in den neuen Bundesländern, da sich auf vereinzelten Bildern auch ein Teil von verblichener DDR-Nostalgie wiederfindet. Viel mehr als die Spuren verblichener Propaganda finden sich in Marcus Rietzschs Bildband angeschlagene Zeugnisse menschlicher Zivilisation, die in ihrem zerstörten Zustand oftmals mehr Magie ausüben, als sie es im “intakten“ Zustand je vermochten. Nach einem wohlformulierten Vorwort präsentiert uns Marcus Rietzsch seine großformatig präsentierten und mit hoher Detailschärfe versehenen Schwarz-Weiß Fotos, die gekonnt Szenen einfangen, die verfallene Räume, staubige Möbel und überwucherte Zivilisation zeigen. Dabei schaffte es der Photograph nicht nur gekonnt eine jede Szenerie einzufangen, sondern auch mittels der Wahl der Perspektive alles aus bestehenden Motiven herauszuholen. Ein Foto eines alten Turms, der von schwarzen Vögeln umkreist wird und bei dem sich Marcus Rietzsch beim Fotografieren ganz nah am Fuß des Turms positionierte und dabei steil nach oben blickte, ist eines der Beispiele von gekonnter in Szene Setzung und das Ergebnis ist nur ein wenig schwindelerregend, sondern vor allem definitiv beeindruckend. Aber dem Fotographen gelang es auf seiner Suche innerhalb dieser Lost Places auch den ein oder anderen regelrechten Glücksgriff zu entdecken: Was treibt einem Betrachter wohl mehr die Gedanken der Vergänglichkeit auf, als eine zurückgelassene Kinderpuppe oder ein von ganzen Generationen von Spinnen eingesponnenes Schaukelpferd inmitten einer Ödnis aus Staub und Schutt? Oftmals sind es eben Relikte von ehemals vielbelebten Orten, wie dem Arbeitsplatz oder Wohnräumen, die angefüllt mit den Zeugnissen der damaligen Bewohner den Betrachter am meisten berühren. Mich persönlich hätten noch Bilder aus verlassenen Krankenhäusern/Sanatorien in einem Bildband wie diesen noch sehr interessiert, da mir derartige Zeugnisse vergangenen Leids wie kaum etwas anderes einen Schauer über den Rücken jagen, ob diese aber überhaupt ins Konzept gepasst hätten, ist aber ohnehin fraglich.
Marcus Rietzsch’s Fotos sind in der Tat absolut gelungen, doch leider gibt es etwas an deren Präsentation auszusetzen. “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ wurde nämlich auf zwar hochwertigem Papier gedruckt, dessen Glanz stört allerdings den Eindruck der präsentierten Motive. Das Ganze ging sogar soweit, dass ich das Buch unter verschiedenen Bedingungen betrachtet habe und auch bei geringer Tageslichtintensität vom verbleibenden Glanz des verwendeten Papiers noch etwas gestört wurde. Beim Licht von Glühbirnen versagt die Stimmung des Werkes dann noch mehr. Man hätte für den Bildband definitiv ein matteres Papier verwenden müssen, dass die Photographien einfach besser portiert hätte. Eine andere Sache, die mich bei “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ stört, ist die Präsentation der immer wieder eingestreuten Zitate der verschiedenen Dichter und Autoren (u.a. Franz Kafka, Christian Morgenstern, Friedrich von Schiller, Jean Paul) die inhaltlich zwar ausgezeichnet gewählt wurden, um die Wirkungen der Bilder noch zu unterstreichen, was die ungewöhnliche, mediengestalterische Präsentation in unterschiedlichen Schriftarten und Darstellungsweisen betrifft, aber den Bogen weit überspannen. Meiner Ansicht nach, hätten diese wohlklingenden Sätze in ganz schlichter Weise gezeigt, viel mehr Wirkung erzeugen können.
Veröffentlichung
“Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ von Marcus Rietzsch erscheint beim Verlag Edition Subkultur als streng auf 499 Exemplare limitierte Softcover Ausgabe (Format: Höhe: 27,0 cm; Breite: 19,0 cm). Die 132 Seiten des Werkes weisen eine sehr gute Druck- und eine gute Papierqualität (die mir in diesem Fall aus weiter oben erläuterten Gründen jedoch nicht gut gefällt) auf. Den Bildband erhaltet ihr unter anderem im T-Arts Shop von Marcus Rietzsch.
Fazit
Marcus Rietzsch präsentiert uns in seinem zweiten Bildband “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ ganz hervorragende Impressionen des Verfalls mit faszinierend finsteren Motiven aus unseren Städten, die nicht nur von vergangenem Glanz künden, sondern auch eine klare Ansage über Tragik, Verlust und Tod sprechen und damit eine enorme Anziehungskraft innehaben. Lediglich die Präsentation weist aufgrund der Buchgestaltung Schwächen auf.
Viele weitere Eindrücke von “Schon Unser Heut Ein Gestern Ist“ erhaltet ihr auch im folgenden Buch-Trailer:
Schon unser Heut ein Gestern ist
Verlag/ Label: Edition Subkultur
Autor: Marcus Rietzsch
Veröffentlichung: 06.09.2013
Seitenzahl: 132
ISBN: 978-3-943412-03-1
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: http://schon-unser-heut-ein-gestern-ist.mr-bilderwelten.de/
Webseite 2: https://www.t-arts.de/shop/?page_id=23
Webseite 3: Amazon
Copyright Artikelbild: Marcus Rietzsch
Copyright andere Bilder: Marcus Rietzsch
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7/10