Auf meiner Suche nach hochwertigen Tierillustrationen bin ich vor einiger Zeit beim Verlag Schirmer/Mosel auf ein ganz besonderes Werk gestoßen, das gerade bei Entomologen (Wissenschaftler im Bereich der Käferkunde) für Seufzer der Lust sorgen wird, denn im opulenten Bildband “Käfer und andere Kerbtiere“ geht es absolut und ausschließlich um das eifrige Krabbeltier um uns herum, dem wir in der Regel so gar keine Aufmerksamkeit schenken. Welche Wunder der Natur hier sich aber in Wirklichkeit verbergen und in welcher Form sich der Künstler hinter diesen Werken mit diesen oftmals nur ganz winzigen Wesen auseinandergesetzt hat, erfahrt ihr in folgendem Buchreview:
Inhalt
Die Auseinandersetzung mit Insekten galt in vielen Zeitaltern der Kultur der Menschheit als absolut unnötige Beschäftigung, die wenigen Momente, in denen den Menschen die kleinen Krabbler überhaupt aufgefallen sind, waren wohl ausschließlich dann, wenn sie von diesen genervt wurden. Auch heute noch gelten Begriffe, wie “Käferfreund“, nicht gerade als Lob für ein interessantes Hobby, sondern sprechen eine Geringschätzung gegenüber einem wissenschaftlichen Feld aus. Dennoch wussten schon die Menschen weit vor der Antike um die Bedeutung und Schönheit dieser Tiere, nutzten ihre Fähigkeiten (z.B. Honiggewinn, Verwendung von Giften usw.) und gaben ihnen zum Teil sogar einen Platz in deren Religion (z.B. die Göttin Selket, die den Körper eines Skorpions besitzt). Auch spätere Naturwissenschaftler mussten hier regelrecht ein vollkommen neues Gebiet auftun, denn vor dem 17. Jahrhundert gab es diesbezüglich kaum Material.
“Käfer und andere Kerbtiere“ vom Verlag Schirmer/Mosel versteht sich hier gewissermaßen als Geheimtipp, das eine leider nur viel zu wenig beachtete Sparte der Naturwissenschaft bzw. der Natur an sich beleuchtet und deren wenige Spuren in der Kultur aufzeigt. Gekrönt wird dieses Vorhaben von den absolut beeindruckenden Bildern des französischen Graphikers und Illustrators Bernard Durin (1940-1988), dessen Werke durch dieses Buch (Erstausgabe 1980) überhaupt erst die vollkommen verdiente Beachtung erfuhren.
Nach einem Vorwort von Max Kühbandner und Michael Balke der Zoologischen Staatssammlung München und einer Einführung von Paul-Armand Gette mit verschiedenen, thematisch passenden literarischen Texten verschiedener renommierter Autoren der Literaturgeschichte folgen die imposanten Bildtafeln Bernard Durins. Einem jedem der insgesamt 60 dargestellten Insekten wird dabei eine Doppelseite gewidmet, die aus einer großflächigen Abbildung des jeweiligen gemalten Insekts sowie einem ausgewählten entomologischen Begleittext von verschiedenen Mitarbeitern der Zoologischen Staatssammlung München besteht.
Der imposante Bildband endet mit einem Verzeichnis der 60 in diesem Band enthaltenen Tafeln Bernard Durins (es ist durchaus möglich, dass noch weitere Tafeln existieren, deren Aufenthaltsort ist aber unbekannt), einer Kurzbiographie des Künstlers sowie einer editorischen Notiz von Lothar Schirmer für die vierte Auflage des Buches, welche wir heute betrachten.
Die Bilder
„Schärfer als die Realität“ – eine Werbeaussage, die die beeindruckende Bildqualität von Ultra-High Definition Übertragungen beschreibt, passt auch als ganz hervorragende Beschreibung für Bernard Durins Bilder, die die zum Teil winzigen Kerbtiere (ein anderes Wort für Insekten) exakter und detaillierter zeigen, als es ein Foto überhaupt könnte. Durins Werke zum Kunst-Genre des Hyperrealismus zu zählen wäre also gewiss nicht falsch, denn was der französische Künstler hier vollbracht hat, lässt mit absoluter Sicherheit nicht nur mich mit offenem Mund staunend zurück. Wenn man dann noch bedenkt, dass Durin hier mit Aquarellfarben auf Karton (in seltenen Fällen auch auf Velin-Papier) arbeitete und dann die perfekten, gestochen scharfen Details der Bilder betrachtet, wird Durins Leistung nur noch beeindruckender. Bernard Durins Liebe für die unterschiedlichen, kleinen Lebewesen wird in jedem seiner Werke mehr als deutlich und stellt die naturwissenschaftliche Kunstdarstellung auf eine ganz neue Stufe. So werden Durins Insektendarstellungen dank der Präzision und Realitätsnähe sowohl von Künstlern als auch Naturwissenschaftlern hoch geachtet.
Beginnend mit den auf seinen Wanderungen durch die Provence entdeckten Insekten, deren Potential als kleine Wunder der Natur für die Kunst Durin schnell erkannte, beschäftigte sich der Künstler nicht nur mit der Darstellung einheimischer Käfer und anderer Insekten, sondern erhielt im Zuge seines Hungers nach exotischeren Vertretern dieser Spezies auch Zugang zu den Sammlungsbeständen des Muséum national d’historie naturelle in Paris. So finden wir in “Käfer und andere Kerbtiere“ nicht nur in Europa heimische Insekten, wie etwa den Hirschkäfer, Maikäfer oder die Kohlschnake, sondern auch wahre Exoten wie den Nashornkäfer, den Herkuleskäfer oder auch eher unbekannte und optisch äußerst beeindruckende Vertreter, wie den dreigehörnten Riesenkäfer oder die Blattfußwanze. Und obwohl das Hauptaugenmerk des Künstlers eindeutig auf den Käfern lag, finden wir im Band auch einige andere beeindruckende Insekten, wovon ich allen voran von den beiden abgebildeten Skorpionen beeindruckt bin, die in ihrer Plastizität (ein Punkt, den Durin auf beeindruckende Weise bei all seinen Insektenabbildungen in diesem Werk erreichte, so dass die Tiere beinahe lebendig wirken) regelrecht aus dem Buch herauszuspringen drohen. Schöner wird man Insekten wohl nirgendwo abgebildet sehen.
Veröffentlichung
“Käfer und andere Kerbtiere“ erscheint beim Verlag Schirmer/ Mosel mittlerweile in der 4. Auflage. Das gebundene Buch erscheint als großformatiges (Höhe: ca. 33,3 cm; Breite: ca. 29,0 cm) Hardcover mit einem wunderschön mit den Werken von Bernard Durins illustrierten Schutzumschlag. Das Buch erscheint unter anderem auch als deutsche Ausgabe und umfasst 156 Seiten in sehr guter Druck- und Papierqualität.
Fazit
Der Bildband “Käfer und andere Kerbtiere“ vom Verlag Schirmer/ Mosel ist nicht nur aufgrund seiner ausgereiften entomologischen Texte, sondern insbesondere dank der unfassbar hyperrealistischen Bildwerke von Bernard Durin, die unterschiedlichste Insekten in all ihrer Pracht darstellen, für jeden Freund künstlerisch wertvoller und naturwissenschaftlich inspirierter Bücher unbedingt zu empfehlen.
Wenn ihr Euch über Neuerscheinungen vom Verlag Schirmer/ Mosel, der unter anderem zahlreiche imposante Bildbände in seinem Sortiment vorweisen kann, informieren wollt, findet ihr hier weitere Infos.
Verlag/ Label: Schirmer/ Mosel
Autor: Gerhard Scherer, Michael Balke u.a.
Veröffentlichung: 00.03.2013 (4. Auflage)
Seitenzahl: 156
ISBN: 978-3829606318
Altersfreigabe: keine Altersbeschränkung
Webseite: http://showroom.schirmer-mosel.com/product_info.php?manufacturers_id=383&products_id=715&language=de&osCsid=doplk1fqt5bejhkft4pv3utok4
Webseite 2: Amazon
Copyright Artikelbild: Estate Bernard Durin / courtesy Schirmer/Mosel München
Copyright andere Bilder: Estate Bernard Durin / courtesy Schirmer/Mosel München
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8/10