Der Künstler, Betreiber des Inside Artzine Blogs “artscum.org“ (unbedingt mal reinschauen!) und Herausgeber des Underground Kunstmagazins “INSIDE artzine“, Jenz Dieckman, veröffentlichte Ende letzten Jahres einen ungewöhnlichen Gedichtband mit dem wohl klingenden Titel “Die Totale Verkommenheit (Und Andere Miniaturen Des Täglichen Defekts)“. Was sich hinter diesem kleinen, feinen Büchlein verbirgt und ob das Teil eure Leidenschaft für die Lyrik neu entflammen wird, erfahrt ihr in folgendem Review:
Inhalt
“Die Totale Verkommenheit (Und Andere Miniaturen Des Täglichen Defekts)“ ist – so viel schonmal vorweg – alles andere als ein typischer Gedichtband, oder gar ein Geschenkbuch für Jedermann. Vielmehr gelingt es dem Autor und Künstler Jenz Dieckman in diesem Werk durchaus auf gelungene Art und Weise der deutschen Sprache in lyrischer Form so manch neuen Trick beizubringen, was sich in herrlich frechen Beschreibungen (gerade die braunen, pyroklastische Scheißeströme haben es mir angetan ^^), geradezu obszöner Direktheit und so manchem längst überfälligem Neologismus, äußert. So erschafft der Autor auf den 68 Seiten dieses Werkes in Gedichten und Kurzgeschichten eindrucksvolle Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers, die deutliche Kritik an der Gesellschaft und dem Leben üben (gerade die Kurzgeschichte "Panik Im Supermark" finde ich hier prägend, den Text könnte man ohne weiteres auch in der Schule besprechen), aber auch nicht davor zurückschrecken von Sehnsüchten und Verletzlichkeiten zu erzählen. Da lese ich – meiner Interpretation nach – mal von einem Mann, der zusammen mit seiner schmerzlich vermissten Partnerin á la Bonny & Clyde die Welt untergehen lassen wollte und dabei kläglich scheitert, ein blutrünstiger Killer, der die ekstatische Lust, die er beim Mord an einer bezaubernden Frau erlebte, um jeden Preis noch einmal erleben will oder auch die in Farben geschilderte Sinnlosigkeit unseres Alltags, der einfach vergeht und wir mit ihm.
Die meisten Gedichte und Geschichten, die im Buch zwischen ein paar Sätzen und mehreren Seiten einnehmen, schaffen es beim Leser eine Welt oder eine bestimmte Stimmung aufzubauen, die mit klarer Prosa so nicht entstanden wäre. Viele der Geschichten trumpfen zudem mit einem intelligenten Twist gegen Ende auf. Doch dabei schert sich der Autor, was den Schreibstil angeht, auch nicht im Geringsten um Konventionen und will sich auch bestimmt nicht verbiegen, um zu gefallen. Und so mancher Ablehnung scheinen diese Schriftwerke auch schon begegnet zu sein, wie wir im Abschließenden Text “Ablehnungsschreibe“ auch nachlesen können. Doch allein aufgrund ihrer verrückten Einzigartigkeit und der schonungslos präsentierten Wahrheit verdient “Die Totale Verkommenheit“ schon einen Platz in der Underground-Bücherei ihres Vertrauens.
Im Folgenden findet ihr einen Auszug aus dem Werk “Schöne Scheisse“:
… „In welche Richtung sollte ich gehen?
Dahin, wo sich die nachtmüde Horizonthaut an der kettenreaktionierter Erneuerung eines aufsteigenden brennenden Planeten auslässt?
Oder hinein in das übervoll mit goldener Melancholie erbrochene Tal eines friedlich versinkenden Tages voller Glück?
Ich war mir nicht sicher.
Wo genau ich suchen sollte.
Unter der hauchdünnen warmen Porzellanhaut auf der Unterseite der Brüste unerfahrener junger Mädchen? Oder zwischen den kalten Falten einer versickernden Erkenntnis sterbender alter Männer? Schönheit zwischen unbeschriebener Vollkommenheit und verbauchter Einsicht?!
Gut, ich hätte dich fragen können.
Wie du das gemeint hast.
Aber ... du bist immer sehr beschäftigt.
Deinem Weg zu folgen, so wie er sich einzwingt.
So nah liegend.
So, wie das verträumte Versinken, in dem knisternden Äther deines Atems. Lauter als mein eigener.
Oder doch so weit weg, wie das fremde Bad in dem vollkommenen Klang einer fernen, einsamen Glocke jenseits aller Wüsten der Undurchquerbarkeit?
Das, was immer da ist, auch wenn ich nicht hingucke.
In erhabener Schönheit des maximal möglichen Verzweifelns?
Ich dachte an die magischen Momente mir dir.
An das unvorbereitete Kreischen jeglicher Münder.
Jeglicher Fetzen Haut. In deinem stillen Nacken.
Vom Aussetzen der leidvollen Matrix unserer Vorstellung.
Vom Glück des Lebens. Vollkommen und gigantisch.
Kurz.
Wie in der leeren See des Willens schwimmend dem Wimpernschlag des völligen Jetzt lauschend.
Oder doch den vergangenen Steckschüssen aus verdautem Magen und leerem Morgen lauschen?
Wie kann ich wissen, welch schöner Moment nicht schon in der Vergangenheit zerfiel, bevor die Zukunft mir ein Reihenhaus drauf gebaut hat?
Eine Gummizelle ohne Einsicht.
Dieses Jetzt.
Eine atemausraubende Schönheit ohne Halt.
Aber einen letzten Versuch mache ich noch.
Nur um dir zu gefallen..“ …
Veröffentlichung
“Die Totale Verkommenheit (Und Andere Miniaturen Des Täglichen Defekts)“ erscheint beim Verlag Rodneys Underground Press und ist sowohl dort, als auch beim Autor selbst auf artscum.org erhältlich. Das Softcover Büchlein (Höhe. 21 cm; Breite: 13 cm) umfasst 68 Seiten in guter Druck- sowie mittelmäßiger Papierqualität (die Seiten sind ziemlich dünn).
Fazit
So, jetzt wird`s für mich schwierig, denn hier ein Fazit bzw. eine Empfehlung für einen Kauf/Nichtkauf auszusprechen, fällt mir bei dieser Veröffentlichung extrem schwer, da ich einfach kein großer Lyrik-Fan bin. Ich scheitere sogar an eigentlich tollen Werken, wie Goethes “Faust“ oder noch besser Dante Alighieris “Göttliche Komödie“ schlicht und einfach an der blumigen Sprache, die für mich mehr verschleiert als auftut. Jetzt stehe ich also da und musst dieses kleine Büchlein bewerten, das sich aufgrund seiner Ecken und Kanten sehr wohl als Geschenk für die richtige Person eignet, denn ich bin absolut überzeugt, dass Freunde alternativer Lyrik mit “Die Totale Verkommenheit (Und Andere Miniaturen Des Täglichen Defekts)“ einen wahren Schatz entdecken können. Und - zum Glück - wird das Buch auch ganz bestimmt nicht allen gefallen. 😊
Nur leider scheitere ich hier nun (zumindest was die Gedichte, die im Werk enthalten sind angeht, die Kurzgeschichten gefallen mir meist gut) an der Sprache und gebe, obwohl ich so einiges aus den Texten herausziehen konnte, eine Wertung von “6“ mit Tendenz zur "7", wobei ich unbedingt darauf hinweisen möchte, dass Freunde von Underground-Literatur und moderner Lyrik hier durchaus noch tiefer in die Wertungskiste greifen können. Eine fatal ungenützte Chance stellt allerdings das Fehlen jeglicher Bilder/Illustrationen im Werk dar, welches das meiner Meinung nach viel zu steril präsentierte Werk nicht nur optisch bereichert hätten.
Wer sich nun einen genaueren Einblick von “Die Totale Verkommenheit (Und Andere Miniaturen Des Täglichen Defekts)“ machen will, der darf sich in folgendem YouTube-Video eines der Werke vom Autor selbst vortragen lassen:
"Bis zum Anschlag" - jenz dieckmann
Verlag/ Label: Rodneys Underground Press
Autor: Jenz Dieckmann
Veröffentlichung: 00.00.2017
Seitenzahl: 68
ISBN: N/A
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: https://artscum.org/product/die-totale-verkommenheit-und-andere-miniaturen-des-taglichen-defekts-jenz-dieckmann/
Webseite 2: https://www.jenzzz.net
Webseite 3: https://www.facebook.com/jenzinsideartzine
Copyright Artikelbild: Jenz Dieckmann
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