SBK 83 & MARIAN KRETSCHMER – Justine & Juliette

Marquis de Sade - ein Name, der seit Jahrhunderten untrennbar verbunden ist mit sexueller Ausschweifung und dem Überschreiten von Grenzen und das sowohl in körperlicher als auch geistiger Hinsicht. Doch de Sade war noch viel mehr als das, der oftmals missverstandene französische Adelige aus dem 18. Jahrhundert war auch Philosoph, Gesellschaftskritiker (und einer von wenigen Adeligen, die die Französische Revolution sogar gefördert (!) haben) und emsiger Autor und all seine Facetten aufzuzählen würde den Ramen dieses Artikels ohnehin um ein Vielfaches sprengen. Wir werden uns ganz gewiss an anderer Stelle erneut mit dem einzigartigen Franzosen beschäftigen, nun wenden wir uns zunächst aber einer Comicinterpretation seiner bekannten Romane zu, die den ursprünglichen Werken leider so ganz und gar nicht zum Ruhme gereichen:

Justine Oder Das Missgeschick Der Tugend und Juliette Oder Die Vorteile Des Lasters von Marquis de Sade

Die beiden Romane “Justine Oder Das Missgeschick Der Tugend“ und “Juliette Oder Die Vorteile Des Lasters“ von Marquis de Sade, die vom Autor mehrfach überarbeitet wurden und welche im Jahre 1797 auch als Gesamtpaket, dass insgesamt 10 Bände, mit etwa 4000(!) Seiten, umfasst, erschienen, und die unfassbare Geschichte der beiden Schwestern Justine und Juliette erzählen, dienen als Vorlage für das heute zu rezensierende Comicwerk “Justine & Juliette“ von SBK 83, dem erotischen Sublabel des TheNextArt Verlages (den genauen Autor konnte ich leider nicht ausmachen), und dem Comiczeichner Marian Kretschmer. Allerdings bauen die Erschaffer der vorliegenden Comicadaption auch einige essentielle Veränderungen ins Werk mit ein, wie wir sogleich erfahren werden:

Justine & Juliette als Comic von SBK 83 und Marian Kretschmer

Im Jahre 2091 erleben wir in “Justine & Juliette“ die Geschichte zweier Schwestern, die ungleicher nicht sein könnten und deren Erleben, in einer von Grausamkeit und Korruption gezeichneten Welt, geradezu ein verzerrtes Spiegelbild ihrer jeweiligen Handlungen darstellt. Justine, die ihrem Namen alle Ehre macht und die ehrenhafte, gütige und auch naive der beiden Geschwister darstellt, gerät ohne jegliches Selbstverschulden in eine regelrechte Spirale von Ereignissen, in Folge derer sie immer weiter geistig, seelisch, körperlich - und das in erster Linie in Form einer für das Mädchen äußerst abartig-sexueller Natur - misshandelt wird und sich schlussendlich gar wegen versuchter Bestechung vor einem Komitee der Regierung verantworten muss.

Überraschenderweise trifft die in Ketten liegende, junge und hübsche Justine Noirceuil dort ihre Schwester Juliette vor, die aufgrund ihrer rücksichtlosen, der Lust frönenden und vollkommen egoistischen Lebensart vom Schicksal ein gänzlich anderes Leben serviert bekam und sich nun in einer sehr angesehenen Position befindet. Doch bevor Juliette über das Schicksal ihrer gutmütigen Schwester Justine befindet, werfen wir im vorliegenden Comicwerk noch einen genauen Blick auf ihre zahlreichen sexuellen Ausschweifungen, deren sie ihre heutige Stellung verdankt…

Ein gewagtes Meisterwerk wird verhunzt

Auf den ersten Blick findet sich - bis auf den Umstand, dass im Comic “Justine & Juliette“ die Handlung 300 Jahre in die Zukunft verlagert wurde, was in der Geschichte kaum genutzt wird und wahrscheinlich vollkommen sinnfrei ist - bei der freien Comicinterpretation des Romans von Donatien Alphonse François de Sade, kaum ein Unterschied, allerdings auch nur aus dem Grund, da ich als Rezensent ein wenig mit dem Original vertraut bin und die Handlung, trotz wenig handlungstragender Bilder, aus dem vorliegenden Comic, herausinterpretieren kann, ein unkundiger Leser wird hier nämlich vor eine Herausforderung in Form einer textbegleiteten Aneinanderreihung von Genitalien gestellt, deren Aussagekraft in eine ganz andere Richtung wandert. Der Fokus, den die Macher von “Justine & Juliette“ hier setzten, wandert ganz klar in eine pornographisch Richtung, was im Angesicht des Originals zwar sehr richtig ist, allerdings war es das dann auch schon mit den Inhalten von “Justine & Juliette“, so dass die Botschaft, die kritischen Anregungen, ja die gesamte Genialität der Vorlage hier nämlich komplett fehlen.

Man versucht im Comic “Justine & Juliette“ vollkommen vergeblich eine in verschiedenen Perspektiven und Zeitlinien spielende Handlung aufzubauen, verliert sich aber in einer pornographischen Darstellung nach der nächsten, in der verwirrende, mit französischen Begriffen (auch der absolut einzige Anhaltspunkt, der auf den Standort Frankreich als Handlungsort hindeutet…) geschwängerte Dialoge auftauchen, die den Leser mehr verwirren, als über eine etwaige Handlung aufklären. Und auch der Umstand, warum man aus Justine und ihrer “Schwester“ Juliette, in diesem Fall, zwei künstliche, mechanische Sexroboterpuppen gemacht hat, verwirrt mich vollkommen, da dies im gesamten Werk nicht die geringste Rolle spielt. Was sich die Autoren hierbei gedacht haben, wird man allerhöchstens in der irgendwann erscheinenden dritten Episode von “Justine & Juliette“ erfahren, dann aber bitte ohne mich…

Die tugendhafte Justine findet sich in einer demütigenden Situation nach der anderen wieder und das auch noch ohne jegliche Form von Selbstverschulden.

Zeichnungen

Für die graphische Ausgestaltung von “Justine & Juliette“ zeigt sich der Künstler Marian Kretschmer verantwortlich, der in diesem Falle bei mir gemischte Gefühle auslöst. Der Künstler schafft es zwar in seiner Genitalität (dem Vermögen akkurat dargestellte Genitalien aufs Papier zu zaubern; schlagt das Wort bitte nicht nach, ihr werdet es nirgendwo finden ^^) dem Betrachter des vorliegenden Comicwerkes eine pornographische Szene (auch in überzeugend inszenierten Perspektiven) nach der anderen zu präsentieren, die Bilder schaffen es aber im gesamten Werk kaum Handlung zu portieren und sehen zudem auch nicht immer besonders gelungen aus. Die Männer (möglicherweise ist das auch Absicht) ähneln verzerrten Karikaturen und als hübsch anzusehen würde ich auch die Frauen nicht bezeichnen, wobei dies - vor allem im Falle der liebreizenden Justine - auch thematisch äußerst bedeutend wäre. Aber vielleicht verhält es sich ja auch wirklich so, wie de Sade einst selbst schrieb, und zwar, dass Justines „unschuldige Anmut und deren feine Züge unser zeichnerisches Vermögen weit übertreffen“.

Gut gelungen sind allerdings wirklich sämtliche Nahaufnahmen der weiblichen und männlichen Genitalien, die hier im Comicbereich wahrhaft zu den realistischsten gehören, die ich bisher gesehen habe. Unterm Strich sind Marian Kretschmers Comiczeichnungen in diesem Fall also nicht unbedingt schlecht, überzeugen mich aber leider auch nicht besonders, was in erster Linie an den mittelprächtig umgesetzten Körperformen und Gesichtern der Protagonistinnen liegt, die bei einem Werk wie diesem einfach überzeugen müssen. Und warum man hier - bis auf harten Sex - nur eine einzige BDSM-Szene im Werk abbildet, ist mir auch ein absolutes Rätsel…

Angefertigt wurden die Bilder in “Justine & Juliette“ vermutlich als mit Wasser- oder Aquarellfarben kolorierte Bleistiftbilder, die nachträglich digital noch etwas nachbearbeitet wurden.

“Justine & Juliette“ wird von SBK 83 und Marian Kretschmer als schnöde Aneinanderreihung mittelmäßiger inszenierter Orgien präsentiert.

Veröffentlichung

“Justine & Juliette“ erscheint beim THENEXTART Verlag als hochwertiges Hardcover Comicalbum und umfasst 54 Seiten in sehr guter Druck- und Papierqualität. In einer zweiseitigen Skizzengalerie, am Ende des Werkes, sehen wir einen Ausblick auf den bisher unveröffentlichten 3. Teil von “Justine & Juliette“. Abschließend, auf den finalen drei Seiten des Comicbandes, befindet sich unter dem Titel “Donation Alphonse Francois De Sade - Der Philosoph im Kerker“ ein Comic-Essay von Jakob Sobe, in dem dieser, auf teilweise etwas holprige Art und Weise, einige interessante Details aus dem Leben und Streben des Marquis de Sade beleuchtet, was im vorliegenden Werk auch so ziemlich der einzige Verbindungspunkt zu Marquis de Sade`s Werken darstellt.

Auf der Produktseite des THENEXTART Verlag findet man auch eine kleine Lesevorschau.

“Justine & Juliette“ ist auf 500 Exemplare limitiert und beim Verlag THENEXTART erhältlich.

“Justine & Juliette“ erschien zuvor auch in Form von zwei Softcover Comics, die jeweils einen Teil “Justine & Juliette“ beinhalteten.

Fazit

“Justine & Juliette“ versucht sich vergeblich an einer Comicversion zweier berühmt-berüchtigter Romane des nicht weniger illustren “Vater aller Perversen“, Marquis de Sade, schafft es allerdings nicht mal eine Facette des Originals auch nur im Ansatz zu zitieren und verliert sich in mittelmäßig inszeniertem Porno-Geplänkel.

Verlag/ Label: THENEXTART Verlag; SBK 83
Autor: SBK 83
Veröffentlichung: 00.03.2010
Seitenzahl: 56
ISBN: 978-3939400264
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Webseite: https://www.thenextart.de/shop/comics/justine-juliette-hardcover-album-a4-hc-18/
Webseite 2: http://www.sbk83.de
Webseite 3: Amazon
Copyright Artikelbild: THENEXTART Verlag
Copyright andere Bilder: THENEXTART Verlag

  • 2/10
    Handlung - 2/10
  • 4/10
    Intensität und Atmosphäre - 4/10
  • 5/10
    Graphische Ausarbeitung - 5/10
  • 3/10
    Charaktere - 3/10
  • 7/10
    Pornographie - 7/10
  • 10/10
    Druckqualität und Haptik - 10/10
5.2/10

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