Nicht nur das demnächst erscheinende Album von HRAUN ist absolut gelungen, sondern auch ein überaus interessantes Interview konnte ich mit den Jungs abhalten. Wer mag, der ist somit eingeladen, unserem aufschlussreichen Schriftwechsel zu folgen.
blizzard: Salve erst einmal. Mit eurer stilistischen Vielfältigkeit habt ihr ein cooles Teil fabriziert und ich denke mal, ihr seid auch voll
zufrieden.
M.S.: Salve und vielen Dank! Ja, absolut! Ich kann sagen, dass ich sogar mehr als zufrieden bin, denn dieses Album beschert mir selbst immer wieder Gänsehaut.
blizzard: War es dabei von Beginn an klar, was die Ausrichtung von "Black Molden Essence" angeht, oder hat sich bei der Fertigstellung noch Ungeplantes ergeben?
M.S.: Hm. Also als grobe Ausrichtung hatten wir uns schon Doom vorgenommen. Aber wenn ich Musik schreibe, kann ich eigentlich nie innerhalb der bekannten Grenzen eines bestimmten Genres bleiben. Erstens höre ich Musik aus sehr vielen Sparten und zweitens komponiere ich immer so, dass ich darauf höre, was mir ein Song, wenn er gerade entsteht, sagen will. Sobald Musik zum Leben erweckt wird, hat sie für mich ein Eigenleben. Und das versuche ich zu erkennen und 'herauszulocken'. Daher passiert immer wieder Ungeplantes. Also Instrumente, die so nicht gedacht waren, oder Spannungskurven, die spontan kommen und dann auch gerne mal Genregrenzen sprengen. Wobei mir letztere eh egal sind 🙂.
blizzard: Richtig gelungen ist der zweistimmige Gesang, Artwork und Produktion. Wie lange habt ihr euch eigentlich vorbereitet?
M.S.: Wow, vielen Dank, das freut uns natürlich sehr! Das Artwork kommt ja einmal von Rebecca Weik (Logo, Cover und Backcover) und gelayoutet hat unsere CD Marc Niederhagemann von ArtWars. Beide sind absolute Profis in ihrem Metier und haben schon jede Menge tolle Arbeit geliefert. Und die Produktion hat ein Kollege von mir übernommen, der jetzt sein eigenes professionelles Studio hat - Peter Ostaszewski in seinem Studio am Wasserturm. Es gab keinen Zeitdruck, da wir ja anfangs noch kein Label hatten. Als Rico von FDA unsere Songs gehört hat, war eigentlich alles bis auf das Layout fertig. Was den zweistimmigen Gesang angeht, so war es so, dass ich ihn zum einen in meiner Pre-Production vorbereitet habe. Zum anderen kommt auch viel Input gerade was Layers und Klangfarben angeht von Peter, der ein unglaublich gutes Gespür für den Song als Ganzes hat. Er ist auch selbst ein hervorragender Musiker und Komponist (zu hören z.B. bei seiner Band Choroba). Und dann haben wir ja in S.B. einen exzellenten Sänger, der mit seiner Stimmvielfalt einfach so viel verschiedene Stimmungen rüberbringen kann. Er hat dann im Studio auch noch jede Menge Ideen mit eingebracht. Also Teamwork, sozusagen. Ich würde mal sagen, dass die Vorbereitung der von dir genannten Aspekte ein paar Monate gedauert hat.
blizzard: Was war der Schlüssel zur Gründung von HRAUN?
M.S.: Ok, dazu muss ich etwas ausholen 🙂. Anfang der 2000er hatte ich eine technische Death Metal Band, Symbiontic. Ihr Sänger damals war Volker Binias. Wie das dann so ist, gehen Menschen immer wieder auseinander, Bands lösen sich auf und manche Menschen kommen dann über die verschiedensten Wege wieder zueinander…um dann doch wieder auseinander zu gehen. Jeder kennt das. Jedenfalls war es so, dass, ich glaube es war 2017, wieder einmal eine Band in die Brüche ging, in der Volker Sänger und ich Gitarrist waren. Volker kam dann auf die Idee, eine neue Band in Richtung Doom zu starten, was ich ziemlich cool fand! Das war der Schlüssel zur Gründung von HRAUN,denn daraufhin schrieb ich "Take Back the Light". Volker hat übrigens den Text - einen ziemlich genial heftigen - dazu beigesteuert. Er ist aber nicht Teil der Band geworden.
blizzard: HRAUN- für was steht dieses Wort?
M.S.: Ich interessiere mich sehr für Sprachen, wobei ich jetzt kein Sprachexperte verschiedener Sprachen bin. Trotz allem hat die Kraft der Sprache ähnliche Wirkung auf mich wie die Musik oder die Malerei. Norwegen, Schweden, Dänemark, Island – alles Länder, die mich faszinieren, immer schon. Irgendwann begann ich, Worte zu sammeln, deren Klang und Bedeutung mich faszinieren. Darunter war auch HRAUN – isländisch für "Lava". Als wir damals also wussten, dass wir in Richtung Doom gehen wollten, war für mich augenblicklich klar, dass die Band HRAUN heißen musste. Was würde besser passen, als ein Wort, das die lavaartige Kraft dieser Musikrichtung schon selbst in Bedeutung und Klang in sich trägt?!
blizzard: Mein absoluter Favorit ist "In The Pouring Rain I Die". Was genau verbirgt sich hinter diesem starken Titel?
M.S.: Das freut mich sehr, dass dir dieser Track gefällt. Ich hatte ja ursprünglich geplant, dass ich nur hier und da ein paar melodische Einsprengsel beisteuern würde, aber wie oben schon beschrieben, höre ich darauf, was ein Song mir sagen will. Und bei diesem Song war klar, dass ich der Zerbrechlichkeit meiner Klarstimme die Urgewalt von S.B.´s Stimme entgegensetzen muss, um dem Song genau das zu geben, was er braucht! Denn schon beim Einsingen in meinem Homestudio hatte ich so eine Art 'Adrenalinschub'. Der Text und das Playback haben mich gepackt und ich habe beim Singen einfach alles rausgelassen…ich habe es dann S.B. geschickt und er fand es auch super! Deswegen haben es sogar einige meiner 'Homestudio-Spuren' auf die Platte geschafft. Ich wollte einfach diesen Moment 'ehren'.
blizzard: "Seducing Voices" birgt einen exotisch anmutenden Charakter. Könnt ihr euch vorstellen, solche Eindrücke in Zukunft noch verstärkter einzubinden?
M.S.: Ein interessantes Wort, das du wählst. Ich denke, das liegt an den direkt am Anfang zu hörenden Melodiegitarren, die diesen eigenartigen Klang haben und vielleicht auch an der Melodieführung im Refrain… Auf jeden Fall können wir uns das vorstellen! Wir werden noch mehr melodischen Gesang mit einbauen, vor allem auch mit S.B.´s Klarstimme, die ja noch einmal eine ganz andere Facette mitbringt. Und mit Sicherheit werden wir auch noch andere Klänge und Instrumente für unsere nächste Platte einbinden!
blizzard: Scheinbare Wehmut und Schwerfälligkeit dominieren "Hamarinn" über eine lange Strecke, kommen aber auch auf anderen Stücken zum Vorschein. Inwieweit sind dabei eurerseits Emotionen mit eingeflossen, oder habt ihr vielmehr den Spagat zur lebendigen Seite gesucht?
M.S.: Im Prinzip ist Musik für mich immer ureigene Emotion…vielleicht fühle ich mich deswegen als Musiker so wohl, weil sie mich selbst spiegelt?! Das ist wohl auch der Grund, warum ich bestimmte Bands höre. Weil sie wahrscheinlich am direktesten Emotionen in mir anrühren können… Wenn ich dich richtig verstehe, dann gibt es auch meiner Meinung nach keinen Spagat zur lebendigen Seite, sondern all das, was du genannt hast, ist die lebendige Seite, da Wehmut und Schwerfälligkeit und die Ausbrüche daraus eins sind…
blizzard: Inwieweit kann man "Black Molden Essence" mit der isländischen Landschaft in Verbindung bringen, die ja scheinbar mit einen Einfluss darauf hatte?
M.S.: Ich war leider noch nicht in Island, eine Reise, die wir dahin geplant hatten, musste damals ausfallen. Aber ich habe jede Menge Bilder im Kopf und kenne einige Bands aus Island (Kontinuum ist eine meiner absoluten Lieblingsbands). Insofern ist "Black Molten Essence" in vielen Momenten das, was ich empfinde, wenn ich an Island und seine Natur denke. Zum Beispiel haben mich die Bilder vom Hamarinn und seiner Umgebung direkt zum Text und einigen Melodiefiguren von "Hamarinn" geführt.
blizzard: HRAUN klingen modern und stilistisch sehr offen, zumindest für meinen Geschmack. Wo ordnet ihr euch selber ein und wie ist der Gedanke zur eigenen Grenzsetzung, was das musikalische Schaffen angeht?
M.S.: Wir haben unsere Musik ja als 'Doomed Dark Metal' bezeichnet, was es sehr gut trifft. So wird jedem klar, dass wir keinen Gute-Laune-Metal machen, aber uns nicht in reinem Doom bewegen. Man muss also immer wieder mit Ausbrüchen rechnen. Wir lieben ja selbst auch so viele verschiedene Spielarten des extremen Metal… Dabei gibt es schon einige Grenzen, die wir nicht überschreiten werden. Bestimmte Stilistiken sind nicht unsere, und die klammern wir bewusst aus. Es wird bei uns eben immer doomig/dark sein.
blizzard: Ich danke für dieses Interview. Wenn ihr noch etwas loswerden wollt, dann wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen…
M.S.: Wir haben zu danken für deine Fragen, die zeigen, dass du tatsächlich unsere Platte gehört hast und ernst nimmst (was übrigens auch dein Review zeigt). Das ist ja beileibe nicht selbstverständlich! Wir laden jeden Musikliebhaber ein, in unsere Platte reinzuhören, vielleicht entdeckt ihr da etwas, was euch genauso packt, wie uns selbst. Und wenn nicht, ist ja nichts verloren! Ansonsten bleibt uns nur zu sagen, dass wir hoffen, dass wir alle gemeinsam die aktuelle Krise gut überstehen, und auch diejenigen danach wieder aufstehen können, die es momentan so hart trifft. Lasst unsere Szene nicht kaputt gehen, eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur ist nichts.
Artikelbild Copyright: FDA Records