Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates’ Zeichnungen & Reiseberichte

Heute werden wir uns ein Buch – oder zumindest einige Auszüge davon, dazu aber gleich mehr – ansehen, von dem der weltbekannte Wissenschaftler und Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin, einst sagte, es sei das „beste Buch über naturkundliche Reisen, das je veröffentlicht wurde“. Bei dem besagten Werk handelt es sich um “The Naturalist On The River Amazons“ von Henry Walter Bates, einem Naturforscher, der bereits in jungen Jahren die Tierwelt des Amazonas erforschte und seine in elf Jahren gesammelten Entdeckungen akribisch in diversen Aufzeichnungen festhielt.

Das zwei Bände umfassende “The Naturalist On The River Amazons“ erschien in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch dank des Beistands von Darwin selbst, dessen höchst umstrittene Evolutionstheorie in dieser Zeit jede Form der Unterstützung vertragen konnte und da kamen Bates` festgehaltenen Beobachtungen, die Darwins Konzept zu bestätigen schienen, wie gerufen. Das Buch sowie zwei weitere in dieser Zeit entstandene, und später ebenfalls veröffentlichte, Tagebücher Henry Walter Bates` erfreuten sich großer Beliebtheit, da sie neben naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über die exotische Tier- und Pflanzenwelt des Amazonasgebietes auch die abenteuerliche Expedition selbst sehr gut einfingen und den Leser auf eine Reise in eine vollkommen fremde und absolut faszinierende Welt schickten konnten.

Das renommierte Natural History Museum in London veröffentlichte dieses Jahr nun mit “A Naturalist In The Amazon – The Journals & Writings Of Henry Walter Bates“ eine Neuveröffentlichung der ursprünglichen Werke aus dem 19. Jahrhundert, allerdings lediglich in Auszügen, wobei man nun auf diese Weise ein ganz neues Werk kreierte, in dem insbesondere die prächtigen Zeichnungen von Bates, die ganz besonders für Entomologen und Freude von Naturillustrationen interessant sind, geachtet werden. Dank dem Schweizer Haupt Verlag liegt uns dieses Buch nun auch schon in deutscher Sprache vor, so dass Interessierte hierzulande auch keine etwaige Sprachbarriere mehr fürchten müssen. Begeben wir uns also in den kommenden Zeilen auf eine Expedition in die Tiefen des Amazonas-Dschungels, die garantiert zu keiner grünen Hölle, sondern zu einem Paradies auf Erden, wird:

Inhalt

Henry Walter Bates war ein echter Pionier der Naturforschung und ein ausgezeichneter Beobachter, eine Fähigkeit, die dem jungen Mann in der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits großes Ansehen zu Teil werden ließ. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Sohn eines Strickwarenhändlers war schon seit seiner Kindheit von den Wundern unserer Natur begeistert und wollte diese unbedingt erforschen. In dem ebenfalls später zu Ruhm gekommenen Lehrer und Forscher Alfred Russell Wallace, auch ein Stützer von Darwins Theorien zur Evolution, fand Bates einen guten Freund und Interessenspartner, die nach langjähriger Vorbereitung 1848 zusammen nach Brasilien ins damals kaum erforschte Amazonasdelta aufbrachen. Wohingegen Wallace den Amazonas nach vier Jahren wieder verließ und von ausgesprochenem Pech heimgesucht wurde, was die gescheiterte Überfahrt seiner Forschungsergebnisse und konservierter Exemplare fremder Tierspezies anging, verbrachte Henry Walter Bates insgesamt elf glückliche Jahre im Dschungel und schaffte es in dieser Zeit fast 15.000 (!) Tierarten (davon etwa Vierzehntausend Insektenarten) zu sammeln, viele davon zu diesem Zeitpunkt der Wissenschaft noch vollkommen fremd.

In den zahlreichen Abschnitten des Buches, die meist von einer konkreten Tierbegegnung, Tierverhalten oder anderen besonderen Begebenheiten der Reise handeln, merkt man direkt, wie es Henry Walter Bates gelingt die Natur mit Kindesaugen zu sehen und diese mit all ihren Wundern unvoreingenommen zu beobachten. So ist eine von Bates` größten Entdeckungen die nach ihm benannte Bates`sche Mimikry, ein Schutzverhalten von eigentlich harmlosen Tieren, die gelernt haben das Aussehen und Verhalten gefährlicher, weil meist giftiger, Lebewesen zu imitieren. Um überhaupt nahezu identisch aussehende Tierarten unterscheiden zu können, und das mit den Methoden der damaligen Zeit, ist eine große Beobachtungsgabe mitsamt damit verbundener Geduld nötig, die Bates zweifelsohne zu eigen war. Schnell erkennt der Leser nämlich, wie sehr der Dschungel für Bates das Paradies gewesen sein muss, der sich nach den elf Jahren Aufenthalt zurück in England erst lange wieder eingewöhnen musste.

Dass Henry Walter Bates zu Beginn seiner Reise aber auch kein ausgebildeter Naturwissenschaftler heutiger Standards war, merkt man als Leser vorliegender Schriften auch schnell, denn Einordnungen von Lebewesen in "hübsch" und "hässlich" oder eine Anakonda als "schrecklich" und ihren Körper als "abscheulich" zu bezeichnen, sind in diesem Zusammenhang absolut untypisch. Aus heutiger Sicht interessant sind auch die Beobachtungen Bates` über manche Tierart, die aus heutiger Sicht vollkommen überholt sind, wie beispielsweise Bates` Vermutung, dass Blattschneiderameisen die abgeschnittenen Blätter der Bäume als Material für den Bau ihrer Behausungen benutzen. Heute wissen wir, dass aus den Blättern Dünger für einen Pilz entsteht, der den Ameisen als Nahrung dient. Doch man muss unbedingt bedenken, dass Henry Walter Bates ein früher Forscher in diesem Areal war, der von der Vielzahl an Entdeckungen (die auch heute noch lange, lange nicht abgeschlossen sind) geradezu überwältigt gewesen sein muss und nur auf wenige Berichte anderer Wissenschaftler, Abenteurer, Missionare usw. und natürlich dem Wissen der Einheimischen in dieser Gegend zurückgreifen konnte. Bates` machte sich richtigerweise sofort Freunde unter den Bewohnern des Amazonas und lernte sogar verschiedene Sprachen, das teilweise auch von Völkern, die heute nicht mehr existieren. So bleibt “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ vor allem eines: Ein wertvolles, zeitgenössisches Dokument, dass die Liebe eines Mannes zu einer vollkommen neuen Welt mit alle ihren wundervollen Bewohnern festhält und eine Zeitreise in eine Epoche der Abenteuerlust und des Entdeckungsdrangs offenlegt, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt.

Bates selbst erhielt nach seiner Rückkehr in England den Posten als Zweiter Sekretär bei der Royal Geographic Society und absolvierte zusätzlich zwei Amtszeiten als Präsident der Entomological Society und konnte seiner Leidenschaft so weiter nachgehen. Bereits zu Lebzeiten erhielt Bates wichtige Ehrungen und gilt heute als bedeutender Naturwissenschaftler sowie wichtige Stütze von Charles Darwins Evolutionstheorie.

Jeder besonderen Begegnung und Entdeckung auf Henry Walter Bates`Amazonasreise wird ein eigener, meist kurzer Abschnitt gewidmet, zwischen denen sich immer wieder hervorragend ausgeführte Zeichnungen und Kupferstiche finden.

Aufbau

Bei “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ handelt es sich genau genommen um eine Neuveröffentlichung bereits in der Vergangenheit veröffentlichter Bücher, die in dieser Ausgabe aber nur in Teilen enthalten sind und für diese neu zusammengestellt wurden. “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ setzt sich aus dem ursprünglich im Jahr 1863 in zwei Bänden veröffentlichtem “The Naturalist On The River Amazons“ (diese erschienen bereits 1866 in Deutschland, wurden für diese Ausgabe aber noch einmal neu aus dem Original übersetzt) und den beiden reichhaltig illustrierten Tagebüchern “Insect Fauna Of The Amazon Valley“ zusammen, wobei die beiden Tagebücher als abgedruckte Faksimile hier in erster Linie aufgrund der beeindruckenden Zeichnungen von Käfern und Schmetterlingen enthalten sind.

Ein Teil von “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ besteht aus Abdrucken der Original Tagebücher von Henry Walter Bates, in denen er sich mit der faszinierenden Insektenwelt des Amazonas auseinandersetzt. Dieser Part des Buches ist reich mit den fantastischen Zeichnungen (in erster Linie Bleistift und Buntstifte) Bates`bestückt.

Zeichnungen

Von diesen Zeichnungen finden wir in “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ so einige, was das Werk durchaus auch als Artbook für Freunde der Insektenkunde durchgehen lässt. Neben vollständigen Abbildungen unterschiedlichster Krabbeltiere des Amazonas beleuchtet Bates in seinen Zeichnungen auch immer wieder hervorgehobene Teilbereiche der Tiere, wie die Fühler, Beine oder Flügel. Begleitet werden die naturgetreuen Zeichnungen von Aufzeichnungen Bates`, die, da es sich hier um Abdrucke des Originals in Handschrift (diese machen etwas über ein Drittel des Umfangs des Buches aus) handelt, für den Leser kaum zu entziffern sind, dadurch aber einen ganz eigenen, historischen Charme aufweisen. Neben den Zeichnungen finden wir im Werk vereinzelt auch talentiert ausgefertigte Kupferstiche mit unterschiedlichsten Tierabbildungen von Henry Walter Bates.

Veröffentlichung

“Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ erscheint beim Haupt Verlag als kleinformatiges (Höhe: ca. 23,5 cm; Breite: ca. 18,0 cm) Hardcover Buch mit Fadenbindung. Der Buchtitel im Cover wurde als Schildchen optisch ansprechend in eine Vertiefung eingeklebt. Die 160 Seiten des Buches weisen eine sehr gute Druck- und Papierqualität (ehrlich gesagt hatte ich noch nie Papier mit einer angenehmeren Haptik) auf. Eine Schmuckschärpe mit den Insekten-Illustrationen von Walter Bates und weiteren Informationen zum Buch vollendet diese hochwertige Veröffentlichung.

Eine sehr gute Leseprobe findet ihr auf der Produktseite des Verlags.

Fazit

Ein stimmiges Geschenk für Naturwissenschaftler, ein Artbook für Freunde hochwertiger, historischer Naturillustrationen (in erster Linie im Bereich Entomologie) oder auch für Jemand, der sich in den längst vergangenen Reisebericht eines naturwissenschaftlichen Pioniers, der eine vollkommen fremde Welt entdeckt und bestens beschreibt, vertiefen und darin eintauchen möchte: “Die Amazonas Tagebücher: Henry Walter Bates' Zeichnungen & Reiseberichte“ spricht viele Zielgruppen an und offenbart sich diesen als echter Geheimtipp.

Verlag/ Label: Haupt Verlag
Autor: Henry Walter Bates; Natural History Museum
Veröffentlichung: 14.04.2020
Seitenzahl: 160
ISBN: 978-3258081984
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: https://www.haupt.ch/Verlag/Buecher/Natur/Naturgeschichte/Die-Amazonas-Tagebuecher.html
Webseite 2: Amazon
Webseite 3: https://de-de.facebook.com/HauptVerlag
Copyright Artikelbild: Haupt Bern; The Trustees of the Natural History Museum, London
Copyright andere Bilder: borbarad666

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