Ernst Haeckel, der “deutsche Charles Darwin“ war bereits mehrfach Thema von Buch-Rezensionen auf Raben Report. So haben wir uns in der Vergangenheit bereits in “Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer“ (Prestel Verlag) und “Art Forms From The Abyss: Ernst Haeckel’s Images From The HMS Challenger Expedition“ (Prestel Verlag) sowohl mit der Person Ernst Haeckel, welcher im 19. Jahrhundert die Naturwissenschaft massiv vorantrieb und bis heute maßgeblich prägt, als auch mit dessen außergewöhnlichen, malerischen Fähigkeiten, auseinandergesetzt. Auch heute möchten wir uns erneut mit diesen Themen rund um den deutschen Außnahmewissenschaftler, Künstler und Philosoph auseinandersetzen, für weitere Informationen möchte ich dem geneigten Leser aber auch meine eben genannten Buchrezensionen ans Herz legen, da ich auf dort auf bestimmte Bereiche aus Haeckels Leben und Streben noch detaillierter eingegangen bin.
Der heutige Anlass sich mit dem in Potsdam geborenen Haeckel zu beschäftigen, ist der 2019 im Taschen Verlag erschienene Prachtband “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ von Rainer Willmann und Julia Voss. In folgenden Zeilen möchte ich mit euch sowohl klären, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse Haeckels auch heute noch brandaktuell sind und auch warum seine Kunstwerke auf ewig unseren Augen schmeicheln werden, als auch in wie weit sich diese Veröffentlichung von den bisher bei uns auf Raben Report besprochenen Buchwerken über Ernst Haeckel abhebt. Doch auch einen gestrengen Blick auf Theorien Haeckels gilt es in diesem Artikel zu werfen, die ganz und gar nicht mit unserer Sicht auf den Menschen in Einklang zu bringen sind.
Eine weitreichende Reise, beginnend in den tiefsten Tiefen unserer Ozeane, über die Tore der Pariser Weltausstellung, bis hin ins Heute erwartet uns nun in den folgenden Lettern:
Inhalt
Das gewaltige Mammutwerk (nein, ich übertreibe bei dieser Aussage nicht mal ansatzweise, das Buch ist in vielerlei Hinsicht eine wahre Wucht!) “Kunst und Wissenschaft Ernst Haeckels“ beginnt mit einer Einführung vom anerkannten Zoologen Rainer Willmann, der uns über Ernst Heinrich Philipp August Haeckels Leben und dessen Arbeiten und Streben informiert. Hier erfährt der geneigte Leser, wie Haeckel mit dem Wissenschaftsbereich der Biologie in Kontakt kam, warum er ein großer Befürworter von Darwins Evolutionstheorie war und wie er ebenfalls zu Kunst und Philosophie fand, diese Bereiche ja sogar immens prägte und erweiterte. Besonders aber die mikroskopisch kleinen Meereslebewesen hatten es Haeckel angetan, deren unendlich vielfältige Erscheinung hervorragende Brücken zu Darwins damals noch hochumstrittenen Theorien schlugen. Haeckel setzte sich Zeit seines Lebens für die Evolutionstheorie ein und erweiterte diese gar auf den Menschen, etwas wovon Darwin selbst bewusst Abstand genommen hat, da er sich über die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Folgen dieser Tat sehr wohl bewusst war. Hier öffnete der angesehene Haeckel tragischerweise auch Türen in finstere Bereiche der Evolutionsbiologie, indem er der Rassenlehre reichlich Nahrung bescherte, was den Nazis in den folgenden Jahrzehnten reichlich Unterstützung für ihre abartige Sicht auf den Menschen liefern sollte. Der Vollständigkeit halber sollte man diesen Makel, der Haeckel leider wohl ewig anhaften wird, erwähnen, dennoch hat der in vielfältiger Hinsicht bewanderte Ausnahmewissenschaftler die gesamte Welt um so viele wertvolle Erkenntnisse bereichert, dass wir uns vorrangig auf diese lebensbejahenden Bereiche konzentrieren werden.
Neben der Biologie, Philosophie und Medizin, war es auch die Kunst, die Ernst Haeckel maßgeblich beeinflusste und durch die er bereits in jüngeren Jahren durch den Maler und Dichter Herrmann Allmers in Kontakt kam. Haeckel erwies sich als derart talentiert und geschickt, dass es ihm gelang tausende Mikroorganismen des Meeres mit Hilfe eines Mikroskops in all ihren winzigkleinen Details abzubilden. Der Künstler bannte diese Lebewesen in Form prächtiger Zeichnungen für die Ewigkeit auf große Bildtafeln, was es den meisten Menschen seiner Zeit überhaupt erst ermöglichte diese zu Gesicht zu bekommen und öffnete damit eine Welt der Wunder aus dem tiefsten Abyss des Meeres. Die hier erblickten Formen sollten bis heute Kunst und Architektur prägen, Punkte, worauf im folgenden Abschnitt des Buches von der Mitautorin Julia Voss noch tiefer eingegangen wird. Einblicke in Haeckels Schaffen, unter anderem bei der legendären “Challenger Expedition“ findet ihr in meinen Rezensionen zu “Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer“ und “Art Forms From The Abyss: Ernst Haeckel’s Images From The HMS Challenger Expedition“, die eine hervorragende Ergänzung zu diesem Werk darstellen und noch viele weitere der prachtvollen Bildtafeln Haeckels enthalten, die unter anderem unzählige, detailgetreu dargestellte Mikroorganismen und komplexere Meeresbewohner zeigen. Ernst Haeckel, dem bereits zu Lebzeiten zahlreiche Ehrungen zu Teil wurden, veröffentliche diverse bis heute viele Bereiche prägende Bücher, erweiterte nicht nur die Biologie um zahlreiche Elemente und war auch generell als Mensch an Ehrgeiz, Fleiß und Talent reich gesegnet – alles Gründe, warum Haeckel heute als einer der bedeutendsten Wissenschaftler überhaupt angesehen wird.
Im zweiten Abschnitt von “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ betrachtet die die Kunstkritikerin Julia Voss den mannigfaltigen Einfluss von Haeckels Schaffen auf Design und Kunst. Bis heute prägen Haeckels Entdeckungen, insbesondere die Abbildungen der von ihm gezeichneten Mikroorganismen, wie die geometrisch harmonischen Radiolarien oder auch die geradezu außerirdisch schönen Quallen/Medusen, das Aussehen so mancher künstlerisch oder auch technisch effizient gestalteter Form. So wurden nicht nur bis heute unzählige Designs davon geprägt, wahrscheinlich setzte Haeckel damit auch Grundsteine für den riesigen Bereich der Biotechnologie, der ja die Natur als Vorbild nimmt, um technische Lösungen zu produzieren. Neben vielen, vielen beeindruckenden Werken sind bestimmt das Monumentaltor zur Pariser Weltausstellung im Jahre 1900, das optisch von einem Strahlentierchen (Radiolarien) inspiriert wurde und mit Glühlampen erleuchtet mit seiner optischen Pracht und Größe auch heute noch jeden Betrachter von den Socken hauen würde und das von Haeckel selbst entworfene Naturkundemuseum in Jena, indem auch Haeckels darwinistischen Weltanschauung deutlich wurde, die seinen Ruf als “Gegenpapst“ untermauerte, zu nennen.
Bild 1: "Nesseltiere und Scheibenquallen, Kunstformen der Natur, 1899–1904, Tafel 28".
Nach einer kurzen Einleitung von Rainer Willmann, Sophia Willmann und Julia Leander Willmann beginnt anschließend der mit weit über 400 Seiten umfassende Hauptteil des Buches, der sich den beeindruckenden Tafeln Ernst Haeckels widmet, die der Ausnahmewissenschaftler Zeit seines Lebens in verschiedenen Werken publizierte. In einzelne Kapitel unterteilt und chronologisch geordnet findet der Betrachter nun die besagten Tafeln mitsamt Erklärung der unterschiedlichen Gruppen von Mikroorganismen und komplexeren Lebensformen, die Ernst Haeckel einst untersuchte. Angefangen bei den Radiolarien, über Staatsquallen (Siphinophoren), Kalkschwämme, Arabische Korallen, Medusen und Keratoseschwämme, bis hin zu den ab Seite 520 mit den in Haeckels von 1899 bis 1904 abschnittsweise veröffentlichtem Werk “Kunstformen Der Natur“, welches neben Meereslebewesen auch verschiedene andere Pflanzen und Tiere auf insgesamt 100 Tafeln beschreibt, vermag sich der Betrachter in diesem beeindruckendem Buchwerk mit den wunderschönen Tafeln Haeckels auseinandersetzen.
Im Anhang finden wir neben einer Biographie Ernst Haeckels, einen Text Rainer Willmanns über die Verwandtschaftsbeziehungen der Organismen und das Biologische System auch kurze Abschnitte mit Anmerkungen, der Bibliographie, Autorenportraits sowie eine Danksagung.
Die Tafeln
Ernst Haeckels bemerkenswerte Tafeln, auf denen er die verschiedensten Tierarten verewigte, waren, sind und werden garantiert auch in Zukunft den Betrachter nachhaltig beeindrucken, davon habe ich nicht den geringsten Zweifel. Ob es sich um die in ihrer Form so perfekten Radiolarien (warum diese Tierchen bzw. ihre sich wiederholenden, geometrischen Formen so harmonisch auf unseren Geist wirken, liegt schlichtweg daran, dass unser Gehirn alle optischen Erscheinungsformen “liebt“, die es einfach “zusammenfassen“ kann. Mehr zu diesem erstaunlichen Mechanismus erfahrt ihr in meiner Rezension zu “Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer“), die prachtvollen Quallen oder auch komplexere Lebensformen, wie Krebse, Insekten oder Amphibien handelt, Haeckel schafft es all diese Lebewesen in einer erstaunlichen Detailgenauigkeit aufs Papier zu zaubern, die kaum ein anderer jemals erreichte. Wobei es schon etwas witzig ist, dass Haeckels Abbildungen von Tierklassen, wie den Amphibien, Reptilien und Säugetieren und auch den Pflanzen, nicht die gleiche Perfektion in der Darstellung erreichen, wie Haeckel es bei den “einfacheren“ Lebewesen gelingt, die allerdings eigentlich ins keinster Weise einfacher darzustellen sind. Haeckels malerisches Genie meisterte also in erster Linie die optisch oftmals unfassbar komplizierten Kleinstlebewesen, und das in unerreichbarer Perfektion. Ohne Zweifel wird sich der Interessierte – egal ob nun aus dem Kunstbereich oder der Naturforscher – an Haeckels Tafeln niemals sattsehen können, überraschen die dargestellten Lebewesen doch immer wieder mit neuen Details und Formen, in denen man sich immer wieder verlieren kann. Wie Haeckel es schaffte unter teilweise grausigen Bedingungen (wie auf der HMS Challenger) mit Hilfe eines Mikroskops derartige Präzisionsarbeiten an den Tag zu legen, ist mir wirklich ein absolutes Rätsel.
Die detailreichen Tafeln (in “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ sind 450 der phänomenalsten Tafeln Haeckels enthalten) profitieren bei dieser würdigen Veröffentlichung vom Taschen Verlag durch das große Format, welches diese – und das auch dank der hervorragenden Druckqualität – in einer Art und Weise präsentiert, welche die Meisterwerke absolut verdient haben.
Bild 2: "Strahlinge, Kunstformen der Natur, 1899–1904, Tafel 71"
Veröffentlichung
Euch bei einer XXL-Veröffentlichung des Taschen Verlages mit bloßen, nackten Zahlen von den wahnsinnigen Ausmaßen eines derartigen Buch-Monsters überzeugen zu wollen, scheint mir wenig hilfreich, deswegen beschreibe ich euch dieses Wahnsinns-Buch zusätzlich mit meinen ganz persönlichen Eindrücken: “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ erscheint beim Taschen Verlag als großformatige (Höhe: ca. 40,4 cm; Breite: ca. 29,1 cm) XXL-Hardcover-Ausgabe mit Fadenbindung. Das massive Buch ist mit einem, mit schönen Motiven bedecktem, bedruckten Stoffeinband versehen. Der Buchtitel wurde zusätzlich auf eine Papptafel, in einer Vertiefung im Frontcover eingeklebt, was mir optisch gut gefällt.
Die 704 Seiten des Werkes weisen eine sehr gute Druck- und Papierqualität auf. Die Dicke des Werkes von sage und schreibe ca. 6,8 cm gibt zusätzlich einen guten Eindruck, sowohl von der schieren Wucht des Buchwerkes, als auch der hochwertigen Qualität des Papiers. Ein hellblaues Lesebändchen sorgt zudem für Übersicht beim Lesegenuss.
“Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ hat ein derart üppiges Gewicht und Format, dass man es kaum in Händen halten und gleichzeitig darin blättern kann, alleine das sollte euch schon damit vertraut machen, dass ihr es hier nicht mit einem einfachen Buch zu tun habt. Wie auch schon in diversen anderen Rezensionen von XXL-Veröffentlichungen des Taschen Verlages zuvor, bin ich auch hier wieder absolut überwältigt, mit was für einem Koloss von Buch wir es hier zu tun haben, bei dem nicht nur der Umfang, sondern auch Inhalt und Verarbeitung absolut zu beeindrucken wissen.
“Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ wird zusätzlich mit einer reich illustrierten Kartonbox mitsamt Tragegriff ausgeliefert (Freunde des Taschen Verlages kennen diese hochwertige Art der Veröffentlichung bereits, diese sorgt nicht nur für einen gut aussehenden Rundumschutz des Buches, sondern ermöglicht auch einen einfacheren Transport des Werkes).
Bei “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ vom Taschen Verlag handelt es sich um eine dreisprachige Veröffentlichung in den Sprachen Englisch, Deutsch und Französisch. Dabei werden in der Veröffentlichung nacheinander die Kapitel in den drei Sprachen aufgeführt, Bilder und Designs werden aber nicht wiederholt, es handelt sich also um ein gewöhnliches, fortlaufendes Buch.
Neben dieser XXL-Ausgabe ist beim Taschen Verlag auch eine preisgünstigere, kleinere Ausgabe von “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ erschienen, die – obwohl nie gesehen – es mit Sicherheit nicht schaffen wird Ernst Haeckels künstlerisches Genie in Gänze darzustellen, da schlichtweg das Bildformat zu klein sein wird, um Ernst Haeckels Bildtafeln würdevoll zu präsentieren.
Bild 3: "Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ ist eine weiterer, inhaltlich und optisch, absolut überzeugender Prachtband des Taschen Verlags.
Fazit
“Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“ vom Taschen Verlag bietet dem Leser und Betrachter des Buchwerkes im schlichtweg beeindruckendem XXL-Format, für das der Taschen Verlag unlängst bekannt ist, einen hervorragenden Blick auf die Person Ernst Haeckel, einem der bedeutendsten Wissenschaftler und Zoologen überhaupt, und ermöglicht es – insbesondere aufgrund der aufwändigen Veröffentlichung des Buches – einen genauen Blick auf Haeckels einmalige Tafeln, mit Abbildungen von verschiedenen, vorrangig mikroskopisch kleinen, Lebewesen zu werfen. Auch wenn andere Werke, “Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer“ und “Art Forms From The Abyss: Ernst Haeckel’s Images From The HMS Challenger Expedition“ bereits viel Information und Bildmaterial zu Haeckels Schaffen lieferten, so bietet uns das vorliegende Werk des Taschen Verlags doch noch die Möglichkeit ganz andere Bereiche zu entdecken, so dass ich keines dieser Bücher in meiner Sammlung missen möchte. Neben den gelungen Text-Parts des Autorenteams sind vor allem die großformatigen Abbildungen von Hackels Tafeln das Highlight von “Kunst Und Wissenschaft Ernst Haeckels“, was das Buch zum Schmuckstück in jeder Sammlung von jedem Natur- und Kunstinteressierten macht und nicht nur für diese Personengruppen ein ständiger Quell der Inspiration darstellen wird, der es immer wieder aufs Neue schafft uns das gleiche Glitzern in die Augen zu zaubern, das auch Ernst Haeckel bei der Entdeckung der unfassbaren Wunder der Natur gehabt haben muss.
Verlag/ Label: Taschen Verlag
Autoren: Rainer Willmann, Julia Voss
Veröffentlichung: 00.00.2019
Seitenzahl: 704
ISBN: 978-3-8365-2646-3
Altersfreigabe: unbekannt
Webseite: https://www.taschen.com/pages/de/catalogue/classics/all/01157/facts.the_art_and_science_of_ernst_haeckel.htm
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