Es sind schon einige Jahre ins Land gezogen, als ich mit Thorkraft ein Interview führen durfte. In der Zwischenzeit ist viel passiert und als langjähriger Verkoster des musikalischen Treibens und Unterstützer des Untergrundes, so war es mir abermals ein Bedürfniss und Freude zugleich, nochmals mit dem Kopf hinter Sieghetnar in Kontakt zu treten. Ein sehr interessantes Interview ist die Folge, welches es hier zu finden gibt, und mir aus dem Herzen spricht.
blizzard: Salve Thorkraft! Alles schick bei dir? Lass uns mal etwas auf dein aktuelles Schaffen eingehen.
Thorkraft: Servus Sven! Ja, mittlerweile sieht es wieder hier etwas besser aus, war ich doch stark eingespannt, was das Studium bzw. Ausbildung angeht, welches ich mir als Herausforderung gesetzt habe, in 1 Jahr statt regulär 3 Jahren durchzuziehen. Nun aber nehme ich mir die Zeit auf deine Fragen für Dich und die Interessenten da draußen einzugehen.
blizzard: "Gebirge" wartet mit eher untypischen Instrumenten und Melodien auf, zumindest im Bezug zum alten Schaffen, weshalb das Werk auf mich sogar etwas 'Folkig' wirkt. Wie sind/waren die Reaktionen darauf?
Thorkraft: Die Reaktionen auf dieses Werk sind sehr gut ausgefallen. Es wurde beim vom Youtube Kanal "Atmospheric Black Metal Albums" hochgeladen und hat einige Kommentare und etwas über 12.000 Aufrufe derzeit. Tatsächlich ist es wieder ein wenig anders als alles andere davor, aber das ist auch das, was Sieghetnar ausmacht. Ich versuche mit jedem neuen Werk dem Stil "Trancezendental Ambient Black Metal" gerecht zu werden, jedoch jeweils eine andere Stimmung zu erzeugen. Ich nutze bewusst die Schreibweise "Trancezendental" statt "Transzendental", da ich eben versuche, eine Trance ähnliche Stimmung zu erzeugen beim Hören der Werke. Das Album ist ein Konzeptalbum und vertont eine Geschichte, zu der man mit geistigem Auge nur Zutritt erhält, wenn man sich den Tonträger im Original auf CD zulegt, da die Hintergründe abgedruckt sind.
blizzard: Hast du sämtliche Instrumente und Aufmachung im Alleingang bewerkstelligt?
Thorkraft: Ja! Alles habe ich selbst komponiert, arrangiert, eingespielt und auch visuell umgesetzt. Es war mir über Jahre ein Wunsch, mich künstlerisch nicht nur musikalisch, sondern auch passend dazu visuell ausdrücken zu können und so habe ich mir das Gestalten von Artworks über passende Programme angeeignet. So kann ich frei bleiben und der Prozess selbst erfüllt mich umso mehr, ebenso kann ich noch besser genau das umsetzen, was mir bildlich vor Augen ist.
blizzard: Mit welcher Erwartung sollte der Hörer an "Gebirge" herantreten? Es steht schließlich nur ein einziger Track auf dem Programm, der für engstirnige Seelen eventuell gar eine Herausforderung darbietet.
Thorkraft: Eine Erwartung selbst benötigt man nicht wirklich, allerdings sollte man sich das Album selbst mit einer Auszeit schenken. Es entfaltet sich am besten, wenn man sich ohne jegliche Ablenkung darauf einlässt. Ich denke, am besten ist es, dass Original als CD vor sich zu haben, es sich bequem zu machen, eine passende Atmosphäre schaffen, sich Kopfhörer aufzusetzen und das Album zu starten. Mit den ersten Klängen die Geschichte dazu im Booklet zu lesen und dann die passenden Bilder mit den Klängen bei geschlossenen Augen selbst erleben. Das Album bedarf keiner Worte, und doch wird es selbst ohne Lyrics eine Geschichte erzählen, die einem Metaphern in das echte Leben übermitteln können.
blizzard: Der abgedruckte Begleittext erleichtert den Zugang in jene Welt und es gibt den Spruch 'Die Musik spricht für sich allein'. Was war also der genaue Grund dafür, eine inhaltliche Unterstützung anzubieten?
Thorkraft: Das ist richtig! Sieghetnar bedarf es nicht an Gesang und Texten, sondern vertont je Album etwas ganz Bestimmtes immer wieder aufs Neue. Wenn ich mich an ein neues Album setze, entsteht zuerst ein Grundkonzept, über was es sich handeln soll und was ich vertonen möchte. Diese Stimmung setze ich dann in der Musik um. Während und nach dem Prozess ist es so, als sehe ich einen Film ganz genau zu jedem Zeitpunkt und diese Geschichte schreibe ich entweder nieder, sodass sie jeder Hörer selbst auf seine Art und Weise erleben kann. So entsteht dann auch der endgültige Titel. Dazu dann auch noch das passende Artwork. Um aber auf deine Frage zurückzukommen auf dieses Album "Gebirge": Der genaue Grund ist das, was ich sehe, erlebt, gefühlt und gehört habe während des Erschaffungsprozess von "Gebirge" an die Hörer weiterzugeben.
blizzard: Entsteht ein solch langer Track im 'fließenden Stück', oder resultiert jener in einer Art Zusammentragen von Ideen?
Thorkraft: Bei "Gebirge" war es so, dass ich mich an das Projekt damals drangesetzt habe, als mein Urlaub begann. Lange vorher ist man schon in der Entstehungsphase, man weiß genau, was man vertonen möchte und bereitet sich innerlich auf den Beginn vor. Dann beginnt die arbeitsfreie Zeit mit Start des ersten Urlaubstages, die man nun dafür hat. Dann richte ich mir alles im Studio ein, öffne eine Flasche Wein und fange an. Ich weiß vorher nicht, wie es am Ende klingen wird, ich habe auch keine Melodien etc. vorher komponiert. Ich fange einfach an, wenn ich etwas habe, nehme ich es dann auf. Darum baue ich alles Weitere darauf auf. Durch die Bilder, welche die ersten Kompositionen erzeugen, entsteht ein Wechsel zwischen Musik und Geschichte, sodass ich die Musik der Geschichte anpasse und wiederum der Geschichte die Musik. Meist war es dann so, dass ich irgendwann bis zu einem Punkt das Ganze durchziehe (oft über 12 Stunden), dann direkt ins Bett gehe, aufstehe und direkt weiter mache. Bei einem solchen langen Track versucht man Etappen zu erreichen, wie zB. das Erreichen des Wanderers, der in ein Unwetter gerät und in dem Höhleneingang Schutz findet.
blizzard: Mit Sieghetnar bist du durch depressiven Schwarzstahl, kosmische Tiefen und festliches Fundament gereist. Bedarf es bezüglich der Themenwahl und Stilistik immer einer Initialzündung?
Thorkraft: Ja, tatsächlich ist es so. Wenn man sich den Werdegang anschaut, entsteht der Eindruck, dass man von einer schwarzen depressiven Phase zu sphärischen und positiven reist. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit meinem jeweils zeitigem Empfinden zu tun, sondern dem liegen bestimmte Initialzündungen zugrunde. War es zu Beginn so, dass ich mit "Verfallen & Verendet" ein Album schreiben wollte bzw. auch mit "Todessehnsucht", um abends ein Album zu haben, um damit einschlafen zu können, ist es später so gewesen, dass andere Themen Einfluss fanden. Mit "Kältetod" wollte ich einfach ein atmosphärisches Black Metal Album erschaffen, welches zugleich die Schönheit des Eises und der Winterkälte einfängt. Bei "Endlösung - Von der Vertonung eines Selbstmordes" gab es natürlich sofort einige Trottel, die bei dem Wort "Endlösung" sofort die Nazikeule öffentlich geschwungen haben. Das zeigt, wie wichtig es eben doch ist, das Album im Original zu besitzen und sich nicht irgendwo runterzuladen und dann auch noch dumme Kommentare zu verfassen. Denn dieses Werk vertont das seelische Empfinden einer fiktiven Person, welche von einem positiven Leben in einen negativen Strudel gezogen wird und als seine einzige endgültige Lösung (Endlösung) den Freitod wählt. Bei "Metamorphose" entstand eine Verwandlung innerhalb Sieghetnars, was sämtliches Equipment und Aufnahmemöglichkeiten veränderte. Ich habe zum ersten Mal mit einem Musiker aus Italien gearbeitet, mit echtem Schlagzeug, hatte eine neue DAW, Synthesizer usw. So kann man sich jedes Album einzeln vornehmen und findet immer einen passenden Titel und auch eine Initialzündung dazu. Als Beispiel "Interstellar". Zu dem Zeitpunkt habe ich sehr viel von der Band Mesarthim gehört und war fasziniert von der Atmosphäre. Das war dann die Initialzündung auch ein Album aufzunehmen. Die Frage, die sich mir stellte, war also: "Wie klingt ein Black Metal Album von Sieghetnar, wenn es ein Konzeptalbum werden soll mit Thematik "Kosmos" und zugleich im atmosphärischem Trancezendental Black Metal? So beginnt dann wieder die Arbeit an einem neuen Album.
blizzard: Ich habe den Eindruck, jede Sieghetnar Scheibe steht für ein eigenes Kapitel. Wenn ich damit richtig liege, welche Thematik würde dich mal besonders reizen?
Thorkraft: Genau! Das hast du gut erkannt. Grundsätzlich fasziniert mich mit Sieghetnar alles, was eine Atmosphäre ausstrahlt oder psychologischer Natur ist. Mich würde sehr das Thema 80er Jahre reizen sowie Synthwave. Dieses ganze Nacht-Neon Nightlife der 80er Jahre. Aber ich spiele auch mit dem Gedanken, ein Album zu komponieren, welches eine geistige Reise um die Erde handelt. Dabei würde ich wiederum im sphärischem Sieghetnar Stil sämtliche Klänge aus arabischen und afrikanischen Ländern etc. einbringen wollen. Ebenso ein Album über die See.
blizzard: Neben Sieghetnar hast du auch ein Dungeon Synth Projekt namens EVIGVALD am Start. Erzähl uns doch mal in wenigen Worten etwas von diesem Vertreter.
Thorkraft: Ich habe vor einiger Zeit ein verschollen geglaubtes Dungeon Synth Tape im Keller meiner Eltern wiedergefunden. Zeitgleich habe ich gerne einiges an Dungeon Synth gehört. Einiges war gut, anderes war oft langweilig. Da habe ich dann ein Synthesizer für mittelalterliche Instrumente gekauft und angefangen selbst Dungeon Synth aufzunehmen. Mir war es wichtig, eine ruhige, entspannte Atmosphäre zu schaffen. So entstand Evigvald. Dazu muss ich erwähnen, gibt es neben Evigvald auch Urvind, ein weiteres Dungeon Synth Projekt von mir. Während Evigvald das lebhafte Treiben dieser Welt beschreibt, ist Urvind das nächtliche ruhige, innekehrende Pendant dazu. Beide gehören als Projekte zusammen, so gibt es ein Werk von Urvind "Die Reise nach Evigvald".
blizzard: Was war der ausschlaggebende Punkt zur Gründung des Labels Black Metal Propaganda Deutschland?
Thorkraft: Es fing damit an, dass ich mit mehreren Labels einen CD Sampler gepresst habe auf 3000 Stück, um unsere jeweiligen Bands zu unterstützen. Die Cds haben wir dann auf je 1000 Stück aufgeteilt und überall gestreut. Kostet zwar einiges an Geld, aber ist doch besser als Flyer etc. Über eine CD freut sich so ziemlich jeder. Aufgrund dieses Hintergrundes haben wir diesen Sampler "Black Metal Propaganda" genannt. Dafür habe ich ein Logo entwickelt. Dann habe ich von Satanath aus Russland die Anfrage an einer Gemeinschaftsproduktion erhalten von einer Band aus Kuba. Das waren Skjult und auch das Projekt fand ich prima. Als es dann noch eine Anfrage gab, ein neues Fanzine zu unterstützen und mit umzusetzen, habe ich auch da Geld in die Hand genommen. So kam es, dass ich mir überlegte, eine Gemeinschaft zu gründen, mit Musikern, Bands und Labels, sowie Unterstützern, die immer mehr wurden. Aufgrund der Aktionen war das dann der passende Name. Auch für die "Black Metal Propaganda World Division", bei der ich nun Bands aus exotischen Ländern für Metal unterstütze, um ihre Werke veröffentlichen zu können. Es ist also mehr als nur ein Label und was sich darauf konzentriert, aktiv Support zu gewähren und zugleich Gutes zu tun für den Erhalt der Flamme des Black Metals.
blizzard: Als Sammler sind für mich physische Tonträger ein absolutes Muss, der digitale Vertrieb ein leider gegebenes Übel. Wie denkst du darüber, gerade weil bei Kristallblut Records viele limitierte Tonträger erhältlich sind.
Thorkraft: Sehe ich genauso. Metal gehört sich für mich nur Original auf physischen Tonträgern. Wer die digital haben möchte, soll sich das Werk zulegen und sich diese dann rippen. Ansonsten kann man sehr vieles auch gratis hören über Youtube. Das ist praktisch, sollte aber nur dazu dienen, um entweder rein zuhören für eine Kaufentscheidung, oder dass man Alben, die vergriffen sind, hören kann oder seine Sammlung unterwegs auch dabei hat. Ich weiß, dass ich sicherlich auch einige Einnahmen generieren könnte durch das Anbieten von digitalem Vertrieb, aber habe ich da einfach noch nie Lust dran gehabt. Komplett dagegen wäre ich nicht, da es tatsächlich welche gibt, die das Argument bringen, der Umwelt zuliebe nur digital zu hören und auch die Künstler zu unterstützen. Für mich ist Metal Musik aber mehr als nur die Musik zu hören. Sollte jemand mir die Arbeit am Vertrieb abnehmen, ok. Selbst habe ich aber dann andere Prioritäten, statt alles einzurichten.
blizzard: Was bringt die Zukunft im Bezug zur Musik und Label? Gibt es Pläne?
Thorkraft: Pläne sind immer eine Menge vorhanden. Aktuell habe ich immer noch einige Aufnahmen und Projekte die fertig, oder noch fertiggestellt werden wollen. Auch das Umsetzen eines eigenen Fanzines, dass ich mehr auf persönliche Themen von Sammlern, Musikern, Labelinhaber beziehen, und auch ein Sprachrohr sein sollen, für Tipps rund um das Thema Black Metal und Dungeon Synth. Zugleich als Sprachrohr von meinen Projekten, Labels, Bands und den Bands aus den Exotenländern. Ansonsten würde ich gerne bald wieder mehr Musik machen, vor allem mit paar Freunden, mit denen ich bisher gute Projekte auf die Beine gestellt habe. Inwieweit die Labelarbeit da noch wichtig ist, wird sich zeigen. Mehrere Labels zu haben ist neben Familie und Hauptjob immerhin auch ein Zeitfresser und Kostenfaktor, der nicht vergessen werden darf. Gerade die Projekte umzusetzen, Steuerberater, Tonstudio, Produktionen usw. Die mittlerweile fast schon legendären Black Metal Julfestkalender am Ende des Jahres wird es dieses Jahr auch wieder geben. Die Qualifikation der Bands ist in vollem Gange. Es werden sicher bald die ersten Teilnehmer (nur mit Länderangabe)bekannt gegeben.
blizzard: Thorkraft, die letzten Worte gehören dir…
Thorkraft: Ich danke Dir sehr für die bisherige Unterstützung für das Label, sowie Tonträgerbesprechungen und auch das Interesse an einem Interview, ist das letzte ja schon wieder allgemein eine lange Zeit her. Ich persönlich freue mich immer sehr darüber, wenn meine Tonkunst und Schaffen anderen eine Freude bereitet und die Flamme des Black Metals dadurch am Lodern gehalten wird. Gerne noch etwas in Eigenwerbung, was allerdings für viele sicherlich einen Mehrwert bietet: Lasst gerne ein Abo da auf dem Youtube Kanal "Kristallblut Channel". Sobald es ein neues Werk aus meiner Feder gibt, oder eines exklusiv bei Kristallblut, wird es direkt als Album hochgeladen zum gratis anhören.
Artikelbild Copyright: Sieghetnar
